Holocaust-Überlebender berichtete

- Beim Zedakah-Freundestreffen in Siegen ging es auch um das gemeinsames Erinnern an den Holocaust (v. l.): Shlomo und Mordechai Papirblat, Stadtverordnete Traute Fries sowie die Zedakah-Mitarbeiter Gideon Bayer und Frank Clesle. Foto: ciu
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„Papa, warum lebst du?“, habe er seinen Vater als kleiner Junge gefragt, nachdem auch er von Auschwitz gehört hatte. „Ganz einfach“, antwortete der Vater liebevoll. „Jeden Tag ein kleines Wunder.“ Wie aus Dutzenden dieser „small miracles“ am Ende das große Wunder des Überlebens wurde, davon erzählte der 92-jährige Mordechai Papirblat am späten Samstagnachmittag im Siegener Vereinshaus Hammerhütte. Er war zu Gast beim 12. Freundestreffen des im Bad Liebenzeller Ortsteil Maisenbach beheimateten Vereins Zedakah, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, aus christlicher Verantwortung Menschen, die durch den Holocaust tief verletzt worden sind, Gutes zu tun.Mordechai Papirblat, der bei seinem Vortrag von Zedakah-Mitarbeiter Gideon Bayer übersetzt wurde, freute sich sichtlich, dass sein Sohn Shlomo, Haaretz-Reporter in Brüssel, mit Ehefrau Noemi nach Siegen gekommen war. „Mein Vater gibt dem Horror Auschwitz, unfassbar, unbeschreiblich, ein Gesicht“, sagte Shlomo Papirblat im Gespräch mit der SZ. Er schildere den Alltag in einer auf Vernichtung der Juden ausgerichteten Ghetto- und Lagerwelt. Das hat der Mann, der so wunderbar erzählen kann, in einem (bislang nur auf Hebräisch erschienenen) Buch getan, und er tut es, solange er kann, an Schulen und Universitäten, vor Soldatinnen und Soldaten oder eben bei solchen Treffen wie dem in Siegen.
Manches erzählt er augenzwinkernd, aber sehr wohl im Bewusstsein, dass ständige Lebensgefahr drohte. Da geht es um einen ins Lager geschmuggelten Karpfen am Gürtel oder seine einfallsreiche Verteidigung eines Gemüseladens in Warschau oder um den knochenharten Zwieback, den er mit einem Freund dem bissigen Hund entwand. Anderes, wie die Schilderung der Folter durch den jungen Offizier und des Todesmarschs in den eisigen Januartagen 1945 („wir trugen Holzschuhe und Kleider aus Papier“), macht ganz unmittelbar deutlich, wie schrecklich das Grauen gewesen sein muss, das Mordechai Papirblat durchlebt hat.
Vor sechs Jahren, sagt er, sei er in Auschwitz gewesen. Und als die Leitung erfuhr, dass er einer von denen ist, die eine sehr niedrige Nummer auf dem Arm tragen, habe sie ihn gleich mit ins Archiv genommen. Dort sah er die Liste derer, die 1942 im selben Transport nach Auschwitz gekommen waren. Papirblat: „Fast alle Namen, die dort standen, hatten ein Kreuz.“
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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