Ausgewanderte Wittgensteiner (SZ-Serie)
Erndtebrückerin feiert deutsch-walisisch-tschechisches Weihnachten

- Veselé Vánoce – das ist Tschechisch und bedeutet: "Fröhliche Weihnachten!“ Alexandra Werner, gebürtig aus
Erndtebrück, lebt auf ihrer Europa-Tour nun seit zwei Jahren in Prag. - Foto: privat
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bw Prag/Erndtebrück. In Europa ist Alexandra Werner schon ziemlich herumgekommen. Aufgewachsen in Erndtebrück, zog sie mit ihrer Familie im Alter von 16 Jahren nach Belgien, wo ihr Vater für die NATO arbeitete. Aus geplanten fünf wurden 15 Jahre, und die Wittgensteinerin fand das Leben in der Nähe von Tongern und Lüttich so schön, „dass ich davon überzeugt war, dort alt zu werden“. Falsch gedacht: „In mir schien eine Art Unruhe zu leben, und der Durst auf Abenteuer und neue Sachen war ganz stark.“ Zwischenzeitlich lebte sie mal ein knappes Jahr auf Fuerteventura. Nach einem Jobverlust besuchte sie ihre Freundin Nadine de Simone in Cardiff in Wales.
bw Prag/Erndtebrück. In Europa ist Alexandra Werner schon ziemlich herumgekommen. Aufgewachsen in Erndtebrück, zog sie mit ihrer Familie im Alter von 16 Jahren nach Belgien, wo ihr Vater für die NATO arbeitete. Aus geplanten fünf wurden 15 Jahre, und die Wittgensteinerin fand das Leben in der Nähe von Tongern und Lüttich so schön, „dass ich davon überzeugt war, dort alt zu werden“. Falsch gedacht: „In mir schien eine Art Unruhe zu leben, und der Durst auf Abenteuer und neue Sachen war ganz stark.“ Zwischenzeitlich lebte sie mal ein knappes Jahr auf Fuerteventura. Nach einem Jobverlust besuchte sie ihre Freundin Nadine de Simone in Cardiff in Wales. Und aus dieser Auszeit wurde ein neues Kapitel in ihrem Leben, denn drei Monate später zog Alexandra Werner nach Wales um und blieb dort zehn Jahre. „Aus dem Abenteuer wurde ein fester Wohnsitz mit Zukunft – ich dachte mal wieder, dass ich dort bleiben würde.“ Sie wurde Lehrerin und arbeitete an Schulen rund um Cardiff. Aber dort gefiel es ihr nicht, denn das Benehmen der Schüler sei schlecht gewesen.
Belgien, Wales, Rumänien, Tschechien
So bewarb sich Alexandra Werner auf Stellen an internationalen Schulen, und am Ende landete sie in Bukarest. Nach Belgien und Wales also Rumänien – dort blieb sie drei Jahre, bis sie wieder die Lust packte, weiterzuziehen. Die nächste Station ist die aktuelle: Prag. In der Hauptstadt Tschechiens unterrichtet die gebürtige Erndtebrückerin nun seit zwei Jahren Deutsch als Fremdsprache für Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 16 Jahren. Doch ihre Europa-Tour ist mutmaßlich noch nicht zu Ende: „Inzwischen bin ich 45 Jahre alt und bin nach wie vor offen für Neues.“ Allerdings gefällt es ihr in Prag sehr gut, und sie will erst mal dort bleiben: „Schule, Schüler, Kollegen und Schulleitung sind hier erste Sahne. Ich lerne Tschechisch und habe vor Corona mit Salsa-, Bachata- und Kizomba-Tanzstunden angefangen.“
Tschechen nehmen Pandemie nicht mehr ernst
Die Pandemie hat Tschechien hart getroffen. „Inzwischen ist es so schlimm geworden“, erzählt die 45-Jährige, „dass die Tschechei die Ansteckungen nicht mehr in den Griff bekommt. Wir haben jetzt Ausgangssperre ab 23 bis 5 Uhr morgens. Fitnesszentren, Galerien und Museen, Cafés, Bars, Restaurants, Clubs und Hotels sind geschlossen, lustigerweise bleiben diesmal die Geschäfte offen – fragt sich, wie lange noch.“ Das große Problem ist: Die Tschechen nehmen das Virus längst nicht mehr so ernst und machen oft, was sie wollen, wie Alexandra Werner berichtet.
Einkaufszentren weiterhin geöffnet
Masken werden nur halbherzig getragen, und die Menschen tummeln sich auch nach wie vor in Einkaufszentren und auf anderen belebten Plätzen. „Warum die Regierung in Tschechien nicht mehr so konsequent wie zu Anfang des Corona-Einfalls ist, verstehe ich nicht. Jetzt sind sogar die Grenzen für die Touristen wieder geschlossen, aber die Einkaufszentren werden nach wie vor geflutet. Schulen waren in den letzten Wochen auch wieder geöffnet, obwohl es Kinder und Kollegen mit Corona gab.“ Es sei also nur eine Frage der Zeit, bis sie die Krankheit auch bekomme. „Bis jetzt habe ich Glück gehabt“, betont Alexandra Werner. Zum Glück sind jetzt erst mal zwei Wochen Ferien.
Traditionen aus drei Kulturen
Weil ihr Freund Waliser ist, hat sie ein deutsch-walisisch-tschechisches Weihnachten geplant. Das betrifft vor allem das Essen. Die Tschechen essen ganz ähnlich wie die Deutschen, sie feiern auch am 24. Dezember Heiligabend – in Wales feiert man erst am 25. Dezember. Die Tschechen schmücken den Weihnachtsbaum am 24. Dezember tagsüber und essen Kartoffelsalat mit Karpfen am Abend – der ganze Tag steht im Zeichen des Karpfens. Andere Spezialitäten und traditionelle Mahlzeiten an Weihnachten sind „linecka kolecka“, das sind Kekse – zum Teil mit Sahne gefüllt, zum Teil mit Schokolade überzogen und mit Marmelade in der Mitte. Auch „pracny“ (Bärenpfoten) sind ein gängiges Gebäck in der Weihnachtszeit. Zu Silvester essen die Tschechen gerne Linsen oder irgendetwas mit Linsen, da sie als Glücksboten für das neue Jahr gelten, wie Alexandra Werner berichtet. Heute wird sie Kartoffelsalat zubereiten – aber eher ohne Karpfen, sondern klassisch mit Würstchen.
"Minced pies" sind nichts für Alexandra Werner
Am ersten Weihnachtstag wird es neben Ente mit Rotkohl und Klößen auch gegrilltes Gemüse walisischer Art geben, um die dritte Kultur zu pflegen. Dazu wird ihr Freund auch „minced pies“ sowie „Christmas pudding“ besorgen, eine typisch britische Weihnachtsspezialität, die Alexandra Werner nie ans Herz gewachsen ist. „Da gehen unsere Geschmäcker echt auseinander.“ Ganz nach britischer Art werden die Geschenke auch erst am 25. Dezember ausgepackt. „Das gefällt mir sehr gut, da die Vorfreude noch mehr steigt.“
Weihnachten zu zweit
Normalerweise feiert Alexandra Werner Weihnachten immer mit ihrer Familie in Deutschland, in diesem Jahr bleibt sie aber in Tschechien – nicht nur wegen der großen Ansteckungsgefahr, sondern auch, weil es immer komplizierter werde, wieder nach Tschechien einzureisen. „Obwohl ich eine Aufenthaltserlaubnis, einen Arbeitsplatz und eine Wohnung hier in Prag habe, mache ich mir schon etwas Sorgen, dass ich Probleme bei der Wiedereinreise bekommen würde“, sagt die 45-Jährige. Also feiert sie mit ihrem Freund – mit selbstgebackenem Stollen, Spitzbuben, Eierlikör – und was noch so alles dazugehört.


Autor:Björn Weyand (Redakteur) aus Bad Laasphe |
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