Vom Grünen Heinrich und Mädesüß
Einmal im Jahr lugt die Biologische Station in Bauerngärten, diesmal über Elsoffer Zaunlatten
awe Elsoff. Den ganzen Tag über stibitzten Neugierige über die Gartenzäune in Elsoff. Sie wollten blühende Bauerngärten und alte Dorfpflanzen wieder entdecken. Eingeladen hatten die Biologische Station Rothaargebirge, die Landfrauen, der Betriebshilfsdienst, der Heimatverein, die Ortsgemeinde und die VHS. Einmal im Jahr steht die Exkursion im Veranstaltungskalender der Biologischen Station und jedesmal werden Bauerngärten in anderen Dörfern besucht.
»Elsoff ist ein schöner Ort und noch ein echtes Dorf«, meinte Ursula Siebel. Die Mitarbeiterin der Biologischen Station begrüßte die Exkursionsteilnehmer. In Elsoff zumindest, das erklärte die Biologin, findet man dorftypische Pflanzen, die es anderswo fast nicht mehr schaffen, ihre Blatt- und Blütenpracht zu entfalten. »Der Grüne Heinrich zum Beispiel. Das ist eine alte Pflanze, die früher auch als Spinat-Ersatz diente«. Am Ortsausgang von Elsoff konnte sie den Bauerngarten-Forschern ein Exemplar zeigen. Die Pflanze stehe auf der Roten Liste der von Aussterben bedrohten Arten, warnte sie. Das heißt: Pflücken nicht erlaubt. Aber den Samen könne man sammeln, empfahl sie. Ein weiteres seltenes Exemplar auf dörflichem Boden ist die Wegmalve. Wilde Malven zeigte Ursula Siebel ihren Begleitern bei einem der beiden Bachläufe: Dort breitet sich ein Fleckchen »dörflicher Unkrautflur« aus. Und mit dieser Bezeichnung meinte Ursula Siebel nichts zum Ausrotten, sondern etwas zum in Ruhe lassen. Denn auf dem kleinen Fleckchen entfalten sich Schöllkraut, Kamille und Malven. Und Ursula Siebels Kollege von der Biologischen Station, Peter Fasel, wies auf die Hühnerhirse hin: »Ein wahrer Exot«. Wer von den knapp 40 Teilnehmern bis hierher noch irgendwelche Zweifel an der besonderen dörflichen Struktur des alten Wittgensteiner Ortes in sich hatte sprießen lassen, dem wurde diese vielleicht an diesem Punkt der kleinen Wanderung ausgetrieben: Eine Herde Kühe hatte sich nämlich über die Dorfstraße auf den Heimweg zum Stall gemacht, nahm sich gemächlich Zeit für die Vorfahrt und beäugte neugierig die neuerliche Menschenansammlung in der Dorfmitte. Deren eigentliches Anliegen waren die Bauerngärten und die nahmen sie nun auch überall im Dorf in Augenschein. »Bauerngärten haben ihren Ursprung im klösterlichen Umfeld«, hatte Ursula Siebel anfangs erklärt, »in einem Bauerngarten gedeihen Gemüse, Gewürz- und Heilkräuter, Blumen und Beeren. Blickt man über den Zaun eines solchen Gartens, so wird man von der bunten Mischung aus Blumen und Kräutern, Kohl, Salat, Möhren und Stangenbohnen überrascht sein.«
Bei näherem Hinsehen gab es in den Elsoffer Gärten aber auch das typische Wegenetz, das einen Bauerngarten aufteilt in Beete. Manche dieser Beete waren mit Buchsbaum eingegrenzt - auch typisch für einen alten Garten. »Klassisch« ist die Aufteilung in vier Beete durch ein Wegekreuz. Man hätte dann ein Feld für Kartoffeln, zwei für Gemüse und eines für Kräuter. Zur Umrandung ließen Kloster- und Bauerngärtner auch Beerensträucher und Blumen sprießen.
Phlox und Lupine, Ringelblumen und Bartnelken, Löwenmäulchen, Akelei, Glockenblume und Mohn sehen nicht nur schön aus, sie sind auch nützlich. »Mitesser werden abgelenkt«, meinte Ursula Siebel, »außerdem werden nützliche Insekten angelockt.« Schwebefliegen zum Beispiel saugen Nektar aus der Bauerngartenblütenpracht, und wenn ihnen ein Platz zusagt, legen sie dort ihre Eier ab, aus denen schlüpfen Larven mit einem Riesenappetitt auf Blattläuse, den sie, was die Gärtner anbetrifft, auch gern ausgiebig stillen dürfen.
Manches der Elsoffer Gärtchen ist nur ein kleines Fleckchen auf der Erde - aber mit enormem Ertrag. Wer sich, wie die Exkursionsteilnehmer, die Zeit nimmt, an einem der Staketenzäune halt zu machen und ausgiebig die Arten und Sorten dahinter zu betrachten, kann zu diesem Ergebnis kommen. »Wachsen lassen«, verrät eine Gärtnerin eines ihrer Gartengeheimnisse.
Wachsen lassen die Elsoffer auch die Pflanzen am Mennerbach und dem Elsoff-Bach. Und auch daran finden die Artensucher der Biologischen Station Gefallen: Mädesüß blüht hier um die Wette mit Wilder Minze. Aus Biologensicht gibts dafür
wahrscheinlich gleich die Goldplakette. Und von wegen dörflicher Unkrautflur: Es klingt nach einem aufgeschlagenen Kräuterbuch.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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