Mental Health im Job: Was Arbeitgeber und Arbeitnehmende tun können
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Wenn das Arbeitsklima gut ist, hilft das Menschen mit psychischen Erkrankungen – und alle anderen profitieren ebenso.
© Quelle: krakenimages/Unsplash
Der Kollege hat dunkle Augenringe. „Nein, nein, alles gut. Ich habe nur schlecht geschlafen“, sagt er auf die Nachfrage, ob alles okay ist. Was bei der Arbeit niemand wissen soll: Der eigentliche Grund für die Augenringe sind Depressionen und Schlafstörungen. Doch der Mann hat Angst, dass es für seine Karriere hinderlich sein könnte, wenn er mit der Erkrankung offen umgeht. Also erzählt er lieber nur die halbe Wahrheit.
Solche oder so ähnliche Szenen spielen sich wohl vielerorts in deutschen Büros, Lehrerzimmern oder Supermärkten ab. Denn nicht alle Menschen gehen im Job offen mit ihrer psychischen Erkrankung um. Fast die Hälfte (46 Prozent) der Betroffenen hat sich schon einmal eine Ausrede ausgedacht, um nicht über die eigene psychische Krankheit sprechen zu müssen. Und: Zwei von fünf (39 Prozent) Menschen verschweigen sie am Arbeitsplatz. So lauten Ergebnisse einer Umfrage des Karrierenetzwerks Linkedin. 43 Prozent der Betroffenen fürchten, es könne ihnen schaden, im Job offen über ihre psychische Krankheit zu reden.
Dabei wäre genau dieser offene Umgang wichtig, um gesund zu bleiben oder zu werden. „Unser Arbeitsplatz spielt eine große Rolle für unsere psychische Gesundheit. Fühle ich mich dort nicht ernst genommen oder nicht unterstützt, kann das meine Belastungen sogar noch verstärken. Deshalb sind Arbeitgeber gefragt, ein positives, offenes Umfeld zu schaffen“, sagt Psychologin Nora Blum, die beim Erstellen des Fragebogens der Linkedin-Umfrage mitgearbeitet hat.
Was ist der World Mental Health Day?
Das Bewusstsein für psychische Gesundheit will der World Mental Health Day schärfen. Er findet jedes Jahr weltweit am 10. Oktober statt. In Deutschland nutzt das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit den Tag als Auftakt, um bis zum 20. Oktober zahlreiche Aktionen zum Thema „Reden hebt die Stimmung – seelisch gesund in unserer Gesellschaft“ durchzuführen. Thematisiert werden soziale Beziehungen und der gesellschaftliche Zusammenhalt.
Welche Maßnahmen helfen, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erst gar nicht krank werden, dazu hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Liste veröffentlicht. Folgende Punkte zählen dazu:
- Handlungs- und Entscheidungsspielräume einräumen
- Arbeitspensum angemessen und realistisch gestalten
- ein wertschätzendes Miteinander – sowohl unter den Kolleginnen und Kollegen als auch mit den Führungskräften
- Konflikte ansprechen und lösen
- angemessene Arbeitszeiten, die eine gute Work-Life-Balance ermöglichen
- Arbeitsplatzsicherheit bieten – soweit dies möglich ist
- Weiterbildungen ermöglichen
Genauso wie Psychologin Blum plädiert das BMG für einen offenen Umgang mit psychischen Krisen und Erkrankungen. Die Behörde räumt aber auch ein: In vielen Unternehmen zählen Erkrankungen der Psyche noch immer zu den Tabuthemen.
Und das, obwohl sie sehr weit verbreitet sind. Mehr als ein Viertel (27,8 Prozent) der Erwachsenen in Deutschland ist jedes Jahr betroffen. Das geht aus Daten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hervor. Am häufigsten kommen Angststörungen, Depressionen und missbräuchlicher Alkohol- sowie Medikamentenkonsum vor.
Mehr Bewusstsein für Mental Health am Arbeitsplatz
Die größte Handhabe, für ein angenehmes Arbeitsklima zu sorgen, haben natürlich die Arbeitgeber. Doch auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können etwas für die mentale Gesundheit des Kollegiums tun – indem sie aufeinander achten. Wie das in der Praxis funktioniert, dazu hat Psychologin Blum ein paar Tipps:
- Sich über psychische Erkrankungen informieren: Wie fühlt sich der Kollege mit dem Burn-out? Manchen fällt es schwer, sich in ihn hineinzuversetzen. Gleichzeitig gelten für einige Menschen Erkrankungen wie Burn-out oder Depressionen als Schwäche – ob betroffen oder nicht. Gegen diese Vorurteile helfen Informationen.
- Darauf achten, wie es dem Kollegium geht: Es gibt Anzeichen, die auf eine mögliche psychische Überbelastung im eigenen Umfeld hinweisen können. Ist die sonst immer so extrovertierte Lieblingskollegin in Terminen schweigsam und wirkt abwesend? Klagt der Werkstudent seit Wochen über Schlaflosigkeit oder Kopfschmerzen? Und möchte die Vorgesetzte plötzlich alle Aufgaben nur noch alleine machen und nichts mehr abgeben? Tatsächlich können das Anzeichen eines beginnenden oder bereits ausgeprägten Burn-outs sein. In diesen Fällen kann die simple Frage „Wie geht‘s dir – wirklich?“ ein erster Schritt sein.
- Auf externe Hilfe setzen: Damit es gar nicht erst zum Burn-out kommt, ist Aufklärung und Prävention wichtig. Die Idealvorstellung der Psychologin Nora Blum: Neben Brandschutzschulungen oder Erste-Hilfe-Kursen sollte jeder Arbeitgeber auch Informationen über die Psyche, mögliche Gefahren und Hilfestellungen bereitstellen.