Aus schlecht wurde ganz schlecht
Versicherungsvertreter hat 426000 DM unterschlagen / Freiheitsstrafe zur Bewährung
damo Betzdorf. Es ist vieles schief gelaufen in der beruflichen Laufbahn von Elmar T. (Name von der Red. geändert). Der gelernte Kaufmann wagte in den 80er Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit – und einige Jahre später stand er vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Er bekam seine zweite Chance: Er eröffnete eine Versicherungsagentur. Und was vorher schon schlecht war, wurde noch weitaus übler: Gestern musste Elmar T. auf der Anklagebank des Betzdorfer Amtsgerichts Platz nehmen. Der Vorwurf: Veruntreuung.
Anfangs sah Elmar T. in seiner neuen Existenz die große Chance: Die Versicherung, für die er arbeitete, malte ihm eine rosige Zukunft aus. Für Elmar T. sah es gut aus: Mit einem ansprechenden Verdienst würde er seine alten Schulden abzahlen und wieder richtig Fuß fassen können – so dachte er.
Allerdings weht auch in der Versicherungsbranche manchmal der Wind recht eisig: Der Konzern schickte sich an, die Konzentration der einzelnen kleinen Agenturen zu forcieren – lieber einige große und repräsentativ wirkende Agenturen als viele kleine und unscheinbare. Für Elmar T. stand fest: Er musste investieren. Aber das geht nicht ohne Geld – und so kam Elmar T. auf eine verhängnisvolle Idee.
Schon zu Beginn seiner Tätigkeit als selbstständiger Versicherungsvertreter hatte der Konzern ihm eine Inkasso-Vollmacht übertragen und ein Inkasso-Konto eingerichtet. Über seinen Schreibtisch wanderten große Summen. Dabei ging es nicht etwa um die Hausratsversicherungen von Lieschen Müller und Karl Napf, sondern um die Sachversicherungen einiger Firmenkunden. Diese Prämien reichten aus, um aus einer kleinen Agentur eine große zu machen.
So leitete Elmar T. das Geld vom Inkasso-Konto nicht an seinen Konzern weiter, sondern auf sein eigenes Konto. Nicht etwa für teure Reisen und ein dickes Auto – nein, er wollte in seine Agentur investieren. Und wenn dann erstmal die nötigen Investitionen getätigt sein würden, dann würde das Geschäft bestimmt so gut laufen, dass Elmar T. das »geliehene« Geld zurückzahlen könnte. Nun traf es sich, dass der Versicherungskonzern gerade grundlegend umstrukturiert wurde. Zuständigkeiten wechselten, die Kontrollinstanzen kamen ihrer Aufgabe nur sehr verhalten nach – keiner merkte rechtzeitig, dass Elmar T. die Versicherungsprämien von drei seiner Firmenkunden unterschlagen hatte.
Dabei kam im Laufe der Zeit – alles zog sich über mehrere Jahre – die stolze Summe von mehr als 426000 DM zusammen. Aber zurückzahlen? Nein – denn Elmar T. stopfte zwar alte Löcher, riss aber neue. Alles wuchs ihm über den Kopf. So zog er endlich die Reißleine: Er nahm Kontakt zu seinem Bezirksdirektor auf und beichtete. »Ich wollte reinen Tisch machen«, sagte er. So unterschrieb er ein notarielles Schuldanerkenntnis – und brachte die strafrechtliche Verfolgung ins Rollen.
Derzeit stottert Elmar T. das veruntreute Geld mühsam ab – aber die Monatsrate von 250 Euro reicht nicht einmal, um die Zinsen zu decken, die ihn sein »Kredit« kostet.
Schon im Vorfeld der Verhandlung hatten Staatsanwalt Steffen Breier, Rechtsanwalt Jürgen Schneider und Richter Hubert Ickenroth den Fall durchgesprochen – und alle hielten sich an die vorher vereinbarten Spielregeln. Der Angeklagte zeigte sich im vollen Umfang geständig; Staatsanwalt Breier wertete das ebenso positiv wie die Selbstanzeige und die Tatsache, dass der Konzern es Elmar T. sehr leicht gemacht habe. Außerdem verwies Breier auf den blütenweißen Zentralregister-Auszug des Angeklagten. So forderte er schließlich eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden solle, sowie 150 Sozialstunden.
»Ich danke Ihnen für dieses Plädoyer«, hielt sich auch Rechtsanwalt Schneider an die Spielregeln. Und Richter Ickenroth folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dass anschließend alle Seiten Rechtsmittelverzicht erklärten, verwundert folglich wenig.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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