Ein ausnahmsweise milde gestimmter Richter
Erneute Bewährungschance für einen Wiederholungstäter/Vorweihnachtliche Milde
ruth Betzdorf. Ein Hauch von Weihnachten scheint sich in diesen Tagen über die Gerichtssäle des Betzdorfer Amtsgericht gelegt zu haben. Der für seine Strenge bekannte Einzelrichter Dr. Orlik Frank zeigte sich in diesen Tagen gnädig. Der 45-jährige Rudi L. wird dies bezeugen können, denn er musste sich erneut wegen Fahrens ohne Führerschein, Versicherungsbetrug (Fahren ohne gültige Haftpflichtversicherung) und Urkundenfälschung (Fahren mit gestohlenen Kennzeichen) vor Gericht verantworten.
Sowohl Richter Dr. Frank als auch der Angeklagte wollten den Prozess so schnell wie möglich hinter sich bringen, denn aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände war der Termin für die Hauptverhandlung bereits sieben Mal angesetzt worden, jetzt sollte er über die Bühne gehen. Der Angeklagte, ein selbstständiger Industriekaufmann, zeigte sich reuig und legte ein Geständnis ab. Seit drei Jahren ist er arbeitslos, doch hat er Aussicht, bald bei einer Firma die Internetseiten pflegen zu können ––ein Vollzeitjob, wie er Oberamtsanwalt Bernhard Ersfeld, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft, versicherte. Dann könne er seine Versicherungen bezahlen, versprach der 45-Jährige.
Und jetzt kommt der weihnachtliche Aspekt dieser Hauptverhandlung: Der Vertreter der Staatsanwaltschaft plädierte auf eine zwölfmonatige Haftstrafe, die noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Und dies, obwohl Rudi L. unter laufender Bewährung die ihm vorgeworfenen Taten verbrochen hatte. Dass sein Verteidiger, in diesem Fall Peter Stahl, um ein mildes Urteil bat, ist nur allzu verständlich. Doch auch Richter Dr. Frank ließ sich erweichen, hob die laufende Bewährung nicht auf und ließ Milde walten: ein Jahr auf Bewährung, Führerscheinentzug für neun Monate. »Dass Sie nicht einfahren müssen, haben Sie der friedvollen Stimmung der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes zu verdanken –– und den Bemühungen ihres Verteidigers«, redete Dr. Frank dem Angeklagten ins Gewissen. Ja, er schäme sich sogar, den Bewährungsbeschluss vorzulesen: »Drei Jahre zur Bewährung, und Ihnen wird ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt, damit Sie jemanden haben, der Sie daran erinnert, dass Sie unter Bewährung stehen. Sie müssen weder arbeiten, noch Geld abdrücken. Sie müssen jedoch wahrscheinlich eine MPU machen, um eine neue Fahrerlaubnis beantragen zu können«, so der mild gestimmte Richter.
»Süßer die Glocken nie klingen«, mag sich der Angeklagte da gedacht haben, »Ich freue mich darauf, mich bewähren zu dürfen«, gelobte Rudi L. Besserung. Peter Stahl schob seinen Mandanten behutsam zur Tür, bevor es sich das Gericht noch einmal anders überlegte. Weihnachten muss nicht immer an einem 24. sein.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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