Gericht: Paranoider Angeklagter prügelt auf Verlobte ein
Frau ist jetzt auf Rollstuhl angewiesen

- Die Beziehung zu dem Angeklagten war ambivalent: Einerseits fürchtete sie sich vor ihm, andererseits suchte sie seine Nähe und seinen trügerischen Schutz.
- Foto: Ulrike Mai (Pixabay)
- hochgeladen von Sonja Schweisfurth (Redakteurin)
goeb Betzdorf. „Er fühlte sich von allen verfolgt. Es könnte sich um eine drogeninduzierte Psychose handeln.“ Diese Feststellung hatte Gerichtspsychiater Dr. Gerhard Buchholz schon beim Prozessauftakt gegen Mirko F. am Dienstag dieser Woche getroffen – vorbehaltlich der richterlichen Würdigung unter dem Vorsitz von Melanie Neeb und ihren Schöffen. Beim Fortsetzungstermin am Freitag, der sich abermals über den ganzen Tag erstreckte, setzte sich diese Blaupause durch viele kleine Details, die Zeugen zum Gesamtbild beitrugen, zu einem Panorama zusammen.
Mann soll Ex-Freundin halbtot geschlagen haben
Erinnern wir uns: Mirko F. (42) hat seine damalige Verlobte Sandra B., die er auch Freitag wieder durchgängig als „seine Frau“ ansprach, in der Nacht vom 6. auf den 7. März halbtot geschlagen.
goeb Betzdorf. „Er fühlte sich von allen verfolgt. Es könnte sich um eine drogeninduzierte Psychose handeln.“ Diese Feststellung hatte Gerichtspsychiater Dr. Gerhard Buchholz schon beim Prozessauftakt gegen Mirko F. am Dienstag dieser Woche getroffen – vorbehaltlich der richterlichen Würdigung unter dem Vorsitz von Melanie Neeb und ihren Schöffen. Beim Fortsetzungstermin am Freitag, der sich abermals über den ganzen Tag erstreckte, setzte sich diese Blaupause durch viele kleine Details, die Zeugen zum Gesamtbild beitrugen, zu einem Panorama zusammen.
Erinnern wir uns: Mirko F. (42) hat seine damalige Verlobte Sandra B., die er auch Freitag wieder durchgängig als „seine Frau“ ansprach, in der Nacht vom 6. auf den 7. März halbtot geschlagen. Sie konnte sich am nächsten Morgen zum Nachbarn schleppen, der Hilfe herbeitelefonierte. Sie werde wohl bis an ihr Lebensende auf den Rollstuhl angewiesen sein, sagte sie am Freitag, nachdem ihr „Ex“ unter anderem auf ihr linkes Bein geschlagen und getreten hatte, das bei einem Autounfall verletzt worden war. Die Schraubenköpfe einer Metallplatte brachen ab. Das Bein konnte in einer 17-stündigen OP noch gerade gerettet werden.
Mann war wie verwandelt
Und dabei hatte das Pärchen am Abend noch „Liebe gemacht“ und friedlich eine Zigarette geraucht, ehe er, wie sie es nannte, „wieder in diesen Film einstieg“. Wie verwandelt stand er vor ihr und verlangte, dass sie vor ihm Rechenschaft ablege, woher die vielen Hämatome kämen, mit denen ihr Körper am Schluss übersät war (stammten sie doch von ihm).
Halluzinationen und Wahnvorstellungen
Das Wesen von Psychosen, laienhaft ausgedrückt, ist ein Realitätsverlust, manchmal begleitet durch Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Dass Drogenkonsum, zum Beispiel Amphetamine oder auch das immer stärker werdende Cannabis, so etwas auslösen können, davon berichten viele Psychiater.
Mirko F. konnte plötzlich auf „Film“ umschalten, was seine 35-jährige Freundin regelmäßig in Lebensgefahr brachte. Dann fand er auf einmal Spermaflecken fremder Männer in der Wäsche, sah in seinem grundgütigen Vermieter, den die Prozessbeteiligten am Freitag auch kennenlernen durften, den Verführer seiner Frau oder in einem der Polizisten, die diesen Hünen zu viert nach dessen erheblicher Gegenwehr zur Fixierung in die Wissener Psychiatrie gebracht hatten, einen Vergewaltiger seiner Partnerin.
Intensive Szenen
Die Szene, wie der Vermieter aus dem Zeugenstand heraus dem Angeklagten auf den Kopf zusagte, was er von ihm hielt (O-Ton: „Man schlägt keine Frau. Das tun nur Luschen!“) – sie war so echt und intensiv, dass das Gericht dafür hätte Eintritt verlangen dürfen.
Aber auch „seine Frau“, Sandra B., war so ganz „knusper“ nicht. In einer sehr feinen, hochintellektuellen, druckreifen und vor allem mit keiner Zeile vom Blatt abgelesenen Analyse sezierte die Düsseldorfer Glaubwürdigkeitsgutachterin deren Aussagen und ihre Psyche.
Zwangsprostitution und Drogenerfahrungen
Sandra B. hat Traumata für drei Leben davongetragen, möchte man meinen: phasenweise Zwangsprostitution, sexuellen Missbrauch, womöglich als Kind schon, Gewalt- und Drogenerfahrungen und dann die merkwürdig „symbiotische“ Beziehung zu ihrem Mirko. Darauf wies eine Psychiaterin aus der Wissener Klinik als Zeugin hin, die sie Wochen nach der Märznacht medizinisch betreut hatte. Damals bezichtigte Sandra B. zusammen mit dem Angeklagten noch zwei Männer der Gewalttaten, weil sie den heute Angeklagten schützen wollte. „Ich wollte meinen alten Mirko zurück“, sagte sie versonnen.
Er sprach für sie, er manipulierte, er kontaktierte sie trotz ausgesprochenem Hausverbot – und sie war ambivalent, so schilderte es die Behandlerin. Einerseits fürchtete sie sich vor ihm, andererseits suchte sie seine Nähe und seinen trügerischen Schutz.
Persönlichkeitsstörung diagnostiziert
Diagnostiziert worden ist bei ihr u. a. eine Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die Gutachterin wollte sich bei ihr aber nicht festlegen. Konnte sie immer unterscheiden: Was habe ich selbst erlebt und was bilde ich mir nur ein? Die Expertin blieb unentschlossen: „Die Waage pendelt unausgewogen hin und her“, sagte sie sibyllinisch.
Mann ist paranoid
Mann ist paranoid
Dr. Buchholz’ Waage gab zumindest bei ihm den krankhaften Zügen mehr Gewicht. Vermietern, Ärzten, Polizisten – allen fiel das Paranoide an dem Mann auf. „Er glaubte diesen Unsinn wirklich“, sagte ein Polizeibeamter, der Mirko F. nach den Verletzungen seiner Verlobten gefragt und zu hören bekommen hatte, dass es andere Männer gewesen seien. Am 15. September geht’s weiter.
Autor:Dr. Andreas Goebel (Redakteur) aus Betzdorf |
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