Publikumsreifer Ehekrach
Kishon-Stück »Es war die Lerche« begeisterte Betzdorfer Publikum
fram. Betzdorf. Was wäre wohl aus Romeo und Julia geworden, sie nicht in der Capulet-Gruft gestorben wären, geheiratet und Kinder bekommen hätten? Kishon gibt eine mögliche Antwort darauf. Die Bühne der Betzdorfer Stadthalle verwandelte sich am Mittwochabend in eine verlotterte Wohnung in Verona.
Romeo (Peer Augustinski) und Julia (Gisela Ferber) streiten sich nach 30 verkorksten Ehejahren, dass die Wände wackeln. War die Nachtigall oder die Lerche für die zarte Hintergrundmusik ihres morgendlichen Liebesspiels zuständig? Aber das ist jetzt auch egal, denn das große Verliebtsein ist Vergangenheit. Alles, was sie noch verbindet, ist die missratene Tochter Lucretia (ebenfalls Gisela Ferber).
Shakespeare hilf! Der englische Dichterfürst (Rainer Delventhal) ist eigentlich selbst seit sieben Jahre so tot, wie er das für seine beiden Hauptfiguren vorgesehen hatte. Dass die das Ideal der Liebe an den harten Alltag verraten, widerstrebt seinen Vorstellungen. Also kämpft er mit der gewählten Sprache eines Dichters gegen das zynische Gekeife der Eheleute an. »Welche Frau liebt ihren Mann denn noch?«, fragt Julia frustriert in das Publikum. Kein Wunder, denn Romeo hat seine jugendliche Potenz und Heißblütigkeit verloren und stattdessen nur Augen für seine Wärmflasche Lisa und das Erbe der Schwiegermutter, Seniora Capulet. Er ist sauer, seit er weiß, dass Julia vor ihm auch Mercutio, Paris und gar seinen besten Freund Benvolio nicht verschmäht hat. Julia versucht indessen, den senilen, selbstvergessen-lüstern nach ihr grapschenden Pater Lorenzo (Peer Augustins-ki), der sie einst heimlich traute, zur Scheidung zu überreden. Da ein rechtlicher Grund fehlt, hilft am Ende nur Gift. Endlich glaubt Shakespeare, der mit Lucretia druchbrennen will, dass eine schöne Tragödie zustande gebracht worden ist und die Legende der Liebenden fortbestehen kann. Aber deren finale Sterbeszene, in der die alte Liebe noch einmal aufflammt, ist nur Theater. Sie wollen von William in Ruhe gelassen werden.
Aus jeder Szene und Textzeile lugt der spitze, satirische Humor des Autors Ephraim Kishon hervor. Seitenhiebe zur Illusion des Theaters, gegen Theaterkritik, Erziehungs- sowie Sexualprobleme und hintersinnige Lieder, begleitet von Pianist Wittwulf Y. Malik, sind kunstvoll eingebaut. Mal holen Julia, Romeo und Lucretia zu derber Sprache aus, mal trägt der wirre Shakespeare eine unwiderstehliche Mischung mit Zitaten aus eigenen und fremden Stücken vor, um alten Bühnenglanz wieder aufleben zu lassen. Zugleich verliebt er sich in »die wilde Nymphe« Lucretia, mit ihrer frechen, schnodderigen Art ein Kind der Moderne. Und damit gelingt drei bestens aufgelegten Ausnahmeschauspielern und diesem Ki-shon-»Trauerspiel« das Kunststück, mit einem Shakespeare aus Fleisch und Blut einen Klassiker des Theaters wieder auf die Höhe der Zeit und direkt in die Herzen der Zuschauer zu hieven. Anspruchsvolles, humorvolles und zeitgemäßes Theater – dagegen sieht manche Hollywood-Komödie alt aus.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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