»Schwarzfahrer« attackierte Schaffner mit den Fäusten
Wiederholungstäter zu acht Monaten Haft verurteilt
ruth Betzdorf. Zugführer müssen einiges einstecken können. Bernd K. (alle Namen von der Red. geändert) kann ein Lied davon singen. Im März vergangenen Jahres hatte er wieder einmal einen »Stammgast« auf der Linie Betzdorf - Daaden zu betreuen: Mirco S. Der 24-jährige fiel Bernd K. am Abend des 2. März unangenehm auf. Zum einen war Mirco wieder sturzbetrunken, zum anderen hatte er keinen Fahrschein. Weil letzteres schon öfter vorgekommen war, bat Bernd K. den »Schwarzfahrer«, den Zug zu verlassen, was Mirco nicht tat. Stattdessen drohte der groß gewachsene Mann dem Schaffner: »Du fasst mich nicht an, ich schlag dich tot«. Da Bernd K. wusste, dass er mit dem Mann nicht allein fertig würde, bat er einen Fahrgast um Mithilfe. Schon flog eine Faust auf ihn zu. Der Schaffner schaffte gerade noch den rettenden Sprung hinter eine Schiebetür, sonst hätte er die Faust frontal im Gesicht gehabt.
»Alten Kunden« wiedererkannt
Daraufhin rief der Bahnbeamte die Polizei, die wenig später beim Haltesteig der Daadetalbahn eintraf. Auch sie erkannte in Mirco S. einen »alten Kunden« und wusste um seine Gefährlichkeit. Was sich dann abspielte, schilderte einer der zu Hilfe gerufenen Polizeibeamten gestern vor dem Amtsgericht Betzdorf wie folgt: »Wir haben besagten Mann angesprochen, worauf sich dieser tierisch aufregte. Wir dachten schon, er würde jetzt hyperventilieren und haben deshalb einen Krankenwagen gerufen. Als wir versuchten, ihn festzunehmen, hat er um sich geschlagen und sich der Festnahme widersetzt.« Erst mit Hilfe der Sanitäter gelang es dem Beamten, Mirco S. Handschellen anzulegen. Auf der Fahrt zur Polizeidienststelle drohte Mirco S. noch einem der Beamten, seine Adresse ausfindig zu machen und ihn umzubringen.
Richter Dr. Orlik Frank brauchte sich Mirco S. nicht mehr groß vorzustellen, man kannte sich bereits von früher. Acht Vorstrafen, zwei stehen noch aus, »wenn es Handgreiflichkeiten gibt, ist Mirco S. immer dabei«, attestierte der als Zeuge geladene Beamte dem Gericht. Dr. Frank sah das ähnlich. Der 24-Jährige stand unter Bewährung, als er den Schaffner bei seiner versuchten »Freifahrt« mit seinen Fäusten attackierte.
Keine Alkoholexzesse mehr
Dabei befinde er sich auf dem Weg der Besserung, versicherte der Angeklagte und zeigte dem Gericht ein Attest mit seinen Leberwerten, die zeigen sollten, dass er nicht mehr trinkt. Jedenfalls nicht mehr exzessiv. Außerdem lebe er jetzt mit seiner Freundin und deren vier Kindern zusammen. Arbeit habe er nicht, alle sechs leben vom Sozialschein der Freundin. Mircos Verteidiger Wigbert Emde versicherte, dass sein Mandant sich jetzt gefangen und auch eine Aufgabe habe. Außerdem treibe er sich jetzt nicht mehr mit seinen Kumpeln auf dem Bahnhof herum. »Weil die alle einsitzen oder warum?« fragte Dr. Frank nach.
Claudia Idelberger, Vertreterin der Staatsanwaltschaft, sah keinen Grund, warum Mirco S. fast ungeschoren davon kommen sollte, wie es sein Anwalt gefordert hatte: einen Monat Haft für jede Straftat. Für den versuchten Betrug, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Nötigung forderte sie acht Monate Haft, die für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden könnten und 150 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Kein Seligsprechungsinstitut
Das sah auch Dr. Frank so. »Wir sind hier nicht für den Bereich Seligsprechung zuständig, und auf die Leberwerte des Angeklagten zurückkommend, meinte er: »Wir wollen das zarte Pflänzchen der Hoffnung auch in Zukunft noch fleißig gießen«, womit er sicherlich nicht Bier meinte. Dem Angeklagten versprach er, beim geringsten Anlass die Bewährung zu widerrufen, »auch wenn Sie mit zehn Freundinnen und 100 Kindern zusammenleben. Noch eine Chance gibt es nicht. Sie sind alt genug.«
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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