Zwischen Romantik und Provokation
Kammermusikabend der »Villa Musica« im Hüttenhaus Herdorf / Musikalische Ansichten von Natur und Sein
-ck Herdorf. Das Hüttenhaus in Herdorf reihte sich am vergangenen Freitagabend in eine Reihe illustrer Veranstaltungsorte ein, als unter dem Titel »Concertino« ein Kammermusikabend mit Werken von C. M. von Weber, Leos Janacek, Zoltan Kodály und dem Koreaner Isang Yun stattfand, den die Kulturfreunde Herdorf mit der Gemeinde Herdorf veranstalteten. Das Konzert im Hüttenhaus war damit eines der über 100 Konzerte der Reihe »Musik in Burgen und Schlössern« der Villa Musica im Rahmen ihres diesjährigen Kultursommers, allesamt Konzerte mit klassischer Musik auf höchstem Niveau.
In Herdorf musizierten unter der Leitung des Dozenten der Villa Musica und exzellenten Klarinettisten Ulf Rodenhäuser deutscher und bulgarischer Nachwuchs der Spitzenklasse, komplettiert von der Japanerin Masae Kobayashi.
Das Programm wurde angekündigt als »Musik im Spannungsfeld zwischen Romantik und Provokation« und eröffnete mit dem Klarinettenquintett B-Dur, op. 34 von Carl Maria von Weber, mit dem der Zuhörer in frühromantische Klangwelten eintauchen konnte. Im ersten Satz (»Allegro«) legen die Streicher den Klanggrund aus wenigen Akkorden, über denen sich die Klarinette in hoher Lage melodiös entfaltet. In einem virtuosen Frage-Antwort-Spiel mit dem Ensenble bezaubert die Webersche Musik mit starken dynamischen Akzenten, opulenter Belcanto-Melodik und frühromantischer Harmonik. Im folgenden Adagio in g-Moll des zweiten Satzes wird dann die Chromatik weidlich ausgekostet. Mal kapriziös-fantastisch, mal arabeskenhaft treibt dann das folgende Menuetto ein witziges Klangspiel, das im Finale Allegro giojoso mit seinem musikalischen Humor fortgesetzt wird, indem der Rhythmus in eine Art Galopp verfällt. Für den nötigen Kontrast sorgen weiche, singende Episoden. Der Satz endet in einen Passagen-Feuerwerk der Klarinette.
Dem romantischen Pol war dann in Herdorf wohl als »Provokation« ein Trio für Klarinette, Horn und Fagott von Isang Yun zugeordnet. Mit den statischen, ornamental aufgefächerten Klängen des Trios gelangte der Hörer in eine ganz andere Welt von Bläserklang. Der koreanische Komponist wurzelt in der chinesisch-koreanischen Hofmusik mit ihren differenzierten Formen der Klangerzeugung und Klangfarben, die sich von Naturlaut und dem Material der Instrumente herleiten. Der Zuhörer ist gezwungen, sich auf ganz andere Intensitäten des Hörerlebens einzulassen, sicherlich ungewohnt, wenn man nur an klassisch-romantische Musik gewöhnt ist, aber zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch für das Herdorfer Konzertpublikum gewiss nicht mehr provozierend.
Nach der Pause wurde zunächst Zoltan Kodálys »Intermezzo« für Violine, Viola und Violoncello zu Gehör gebracht, sicherlich der Moderne zuzurechnen, jedoch unverkennbar dem ungarischen Volkslied und der Serenadentradition verpflichtet. In seiner Leichtigkeit und Frische wusste das Scherzo den Genießer zu entzücken.
Das abschließende »Concertino« von Leos Janacek, das dem Konzert den Namen lieh, könnte nach Meinung eines Kritikers der Uraufführung 1926 in Prag den Titel »Natur« tragen. Dies aber nicht im Sinne der Romantik. Janaceks Musik bedient nicht Verschmelzungsbedürfnisse, sondern nimmt Sprachmelodien des Alltags und Naturlaute so auf, dass sie »Fensterchen in die Seele« werden. So wurden Natur- und Alltagserinnerungen aus der Kindheit, die in ihren eigenartigen inneren Tönen weiterlebten, in der Leichtigkeit des Concertinos zu neuem Leben erweckt.
Mit den vier Stücken wurden vier verschiedene musikalische Ansichten auf Natur und Sein vermittelt, was dem Publikum einiges an differenzierter Hörbereitschaft und Einfühlungsvemögen abverlangte. Neben Ulf Rodenhäuser musizierten die Stipendiaten der Villa Musica: Zora Slokar, Horn, Javer Petkov, Fagott, Masae Kobayashi, Viola, und Juliana Przybyl, Violoncello, sowie als Gast aus Bulgarien Georgi Slavchev, Klavier, Vesselina Barzeva und Jassen Todorov, Violine. Sie boten die Gewähr einer authentischen Interpretation. Wieder einmal ein kammermusikalisches Erlebnis der besonderen Klasse im Hüttenhaus in Herdorf! Das zahlreiche und musikverständige Herdorfer Publikum spendete dankbaren und in hohem Maße verdienten Beifall.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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