Dem Inge liegt nix an Krankheiten
»Sprechstunde« mit Kabarett-Doktor Stratmann in ausverkaufter Kreuztaler Stadthalle
bö Kreuztal. Kittel machen Leute. Jupp trägt grau und fegt. Dr. Stratmann weckt Vertrauen in Weiß und referiert. Zwei Seiten einer Medaille. Der Patient und sein Doc. Oder umgekehrt. Zumal der Jupp aus Bottrop medizinisch auch einiges wissen tut. Der Mann hat Durchblutung und Schilddrüse. Jupp horcht ganz tief in sich hinein und stellt ganz im Sinne der Gesundheitsreform selbst die Diagnose. Von der doppelten Darmverschlingung bis zum dreifachen Herzinfarkt. Drunter macht er es nicht! Pech hat der selbst Molières eingebildeten Kranken (unlängst ebenfalls beim Busch-Kreis zu Gast) in der Tabelle der Hypochonder-Champions-League weit hinter sich lassende Besenschwinger allerdings mit seiner Frau: dem Inge liegt einfach nix an Krankheiten. Das verstehe wer will...
Erstmals öffnete am Freitag Dr. Ludger Stratmann, fernsehverdächtiger Arzt und Kabarettist mit eigenem Theater in Essen, seine Sprechstunde in Südwestfalen. Und siehe da: Auch außerhalb des Ruhrreviers standen die Patienten/innen Schlange. Ausverkauft war die Kreuztaler Stadthalle bei der stratmannschen Medikamenten-Ausgabe. Unterstützt vom »Musiktherapeuten« Hagen Rether am Klavier verabreichte Ludger Stratmann gute Laune in hohen Dosen.
Kurzweilig pendelt er zwischen satirischer Mediziner-Fortbildung und dialekt-gefärbter Wartezimmerphilosophie treffsicher hin und her. Allein die letzte Nummer vor der Pause des Programms »Hauptsache, ich werde geholfen« gerät etwas zu lang, ansonsten setzt er die Pointen so zielsicher wie hoffentlich auch die Spritzen. Wo sonst bekommen Mediziner zum Arzt-Patienten-Verhältnis solch entscheidende Handreichungen mit auf den dornigen Weg bis zur Abrechnung der Kassenpatienten: Lasst den Patienten ja nicht zu Wort kommen! Allein die eigentliche unverfängliche Frage »wie geht es?« öffnet ihm Tür und Tor. Vorschläge zur Rundum-Medikamentierung gipfeln in der Aussage: Antibiotika nehmen wir auf natürlichem Weg durch Hähnchen- und Schweinefleisch schon genug zu uns.
Für die Mehrheit der Stadthallen-Besucher/innen, die eher auf der anderen Seite des Behandlungsraums-Schreibtisches sitzen, sind die hart am Patienten-Alttag orientierten Tipps von Jupp von Bedeutung: Immer montags zum Doktor gehen. Dann hat die Lesemappe gewechselt und dank des übervollen Wartezimmers kann der Patient sich in aller Ruhe durch die Illustrierten arbeiten.
Rundum lehnt er »überflüssige« Behandlungen ab: Ein EKG hat ihm noch nie richtig geholfen. Da ist eine Kur doch schon was ganz anderes. Auch wenn der asthmakranke Kurschatten immer solche Stimmen beim Techtelmechtel macht. Schön ist es trotzdem...
Das fanden auch die »Patienten/innen" in der Stadthalle, die zwar keine Krankenscheine auf die Bühne warfen, aber mit prasselndem Beifall die Fortsetzung der Behandlung verlangten. Verständlich, denn im Gegensatz zu den meisten medikamentösen Therapien hinterlassen Dr.-Stratmanns-Kabarett-Infusionen als unerwünschte Nebenwirkung allenfalls einmal eine Bauchmuskelzerrung. Vom vielen Lachen.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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