Ein Liebeslied für’s Lieblingsbier
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Konstantin Wolff alias „Okami“ im „Allerheiligsten“, der Abfüllanlage der Erzquell-Brauerei in Niederschelden. Mit seinem Song hat der 19-Jährige viel Aufmerksamkeit im Siegerland erregt. Foto: thor
thor Niederschelderhütte. Ganz und gar Seltsames ist seit einer Woche überall im Siegerland zu beobachten. Selbst gestandene Männer jenseits der 50 schauen gebannt auf ihre Smartphones und nicken im Takt – und das liegt nicht daran, dass Ehefrauen und Freundinnen Anweisungen in Form von Sprachnachrichten hinterlassen haben. Grund ist vielmehr ein bislang einmaliger Rap-Song mit passendem Videoclip. „Es gibt kein Bier wie Erzquell. Wenn ich’s seh’, schlägt mein Herz schnell“: Das ist die Botschaft von „Okami“.
Wer jetzt an einen neuen PR-Gag aus Niederschelderhütte denkt, liegt völlig falsch. Das Ganze ist ohne Wissen der Brauerei entstanden. Es ist schlicht und ergreifend ein Liebeslied für’s Lieblingsbier. Inzwischen ist das Video allein bei YouTube weit über 8000 Mal angesehen worden.
Nun heißt „Okami“ natürlich nicht wirklich so: Hinter diesem Künstlernamen – angelehnt an einen Charakter aus einem Videospiel – versteckt sich Konstantin Wolff, 19 Jahre alt und in der Jahrgangsstufe 13 der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule in Siegen. Das Bemerkenswerte: Der Abiturient kommt nicht etwa aus Mudersbach, Schelden oder Eiserfeld, sondern aus Niederdielfen – was man so einfach nicht als altes Stammland der „Siegthaler“ bezeichnen kann. Wolff aber stellt klar: In seinem Freundeskreis und vielen Bekannten seiner Generation werde ausschließlich das Bier aus den grünen Kästen getrunken.
Seit rund zwei Jahren macht er Musik: Wo andere sich Heavy Metal, Techno oder immer nur den Top20 der deutschen Charts verschrieben haben, ist sein Ding der Rap. Nach einer EP hat der 19-Jährige in diesem Jahr sein erstes, zehn Songs umfassendes Album mit dem Titel „Dichter Denker“ veröffentlicht – der Deutsch-Leistungskurs lässt grüßen.
Die Vorgehensweise ist meist so: Auf einer speziellen Internet-Plattform besorgt sich Konstantin Wolff per Streaming den passenden Beat. „Dann weiß ich aber eigentlich noch gar nichts über das Thema“, sagt er zu den Texten, die er alle selbst schreibt. Vorzugsweise abends im Bett mittels Handy. „Da hab ich meine kreativste Phase“, grinst er.
Der Musiker hat schon einmal bei einem Freund in einem professionellen Tonstudio in Burbach aufgenommen, doch seit er im Besitz eines hochwertigen Mikros ist, kann er auch Songs zuhause einspielen. Seine Ansprüche sind dabei noch recht bescheiden: „Wenn ich damit meine Freunde erreiche, ist das schon okay für mich. Wenn es mehr sind, ist das ein Bonus.“
Die Idee für den Erzquell-Clip entstand – wie könnte es anders sein? – im Kreis der Kumpel aus einer Bierlaune heraus. Warum nicht einmal eine Hommage an den treuen Begleiter in 0,33 verfassen? Gesagt, getan: Innerhalb weniger Tage war das ganze Ding im Kasten. Zunächst suchte sich „Okami“ wieder einen passenden Beat, wobei er extra auf hartes „New-School“-Material verzichtet und eher etwas Massentaugliches im Blick hatte. Als die Musik ausgesucht war, holte er sich für den Text noch ein paar Tipps vom großen Bruder, dem Vernehmen nach ein noch größerer Fan des veredelten Giebelwald-Wassers.
Es fehlte nur noch das passende Video. Hier konnte der 19-Jährige auf das Können eines Kumpels aus alten Grundschultagen zurückgreifen, der weiß, wie man mit einer Kamera umzugehen hat. Den Schnitt übernahm „Okami“ dann wieder selbst. Gedreht wurde mit den besten Freunden, pardon „Homies“, in seinem Zimmer, bei Dreckswetter in der Gartenhütte, im Auto – und natürlich in Schelderhütte. Und wie gesagt: Da das Projekt keine Auftragsarbeit der Brauerei war, wurde auch nicht wegen einer Drehgenehmigung gefragt. Alle Sequenzen entstanden rund um das Betriebsgelände.
Ohne dem jungen Mann aus Dielfen zu sehr schmeicheln zu wollen: Aber gerade als kein großer Rap-Fan kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man aus dem Radio gelegentlich deutlich Schlechteres von der Babo-Bus-Fraktion hört. Und der Text ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben: „An alle Schwestern und Brüder aus dem Siegerland: Erzquell ist das Beste und was Besseres habe ich nie gekannt“, heißt es da. Gewisse Spitzen an eine deutlich größere Brauerei aus dem nördlichen Siegerland dürfen dabei nicht fehlen.
Überhaupt erfüllt „Okami“ im Video manches Klischee, allein schon wegen der bewusst gewählten Aussprache. Aber keine Sorge: Der junge Mann ist viel zu gut erzogen, als dass er nachts in Dielfen an brennenden Mülltonnen stehen würde.
Mit der Resonanz auf seinen Song hat er in keiner Weise gerechnet. Seine alten Songs wurden auf YouTube „nur“ bis zu 1500 Mal angeklickt. Aufgrund des Bekanntheitgrades des Bieres sei er von maximal 5000 Klicks in den ersten zwei Monaten ausgegangen, niemals aber davon, dass es nach einer Woche schon 8000 sind. Vor allem freut sich „Okami“ über die durchweg positiven Kommentare. Für seine Generation das höchste Lob ist, wenn von „Ehre, Junge“ geschrieben wird.
Was deutlich wird: Auch viele ältere Semester heben im Internet den virtuellen Daumen. Einer schreibt: „Absolut nicht mein Musik-Stil. Aber lustige Idee.“ In der Tat hat er auch schon über Freunde viele nette Rückmeldungen der „Ü50“ erfahren. Selbst manche Lehrer zeigten sich angesichts dieser Kreativität durchaus beeindruckt.
Nachdem immer mehr Leute von Song und Clip gehört hatten, versuchte auch eine Mitarbeiterin der Brauerei mit Konstantin Wolff Kontakt aufzunehmen – vergeblich, er war da gerade in der Schule. Doch was bislang nicht klappte, dürfte recht schnell im neuen Jahr nachgeholt werden.
Nach dem Abitur will der 19-Jährige im nächsten Jahr übrigens Bildung und soziale Arbeit studieren, der Musik und dem Rap dabei aber treu bleiben. Dass dies auch dem heimischen Pils gilt, versteht sich von selbst, denn auch an der Uni dürfte er sich an diese Textzeile erinnern: „So viel Stress hat doch keiner hier nötig, einfach zurücklehnen, Erzquell macht’s möglich.“
SZ