Bahnhof zur Besichtigung geöffnet:

Solider Bau voller Erinnerungen

Das ehemalige Empfangsgebäude, laut Kunsthistorikerin Andrea Arens das einzige klassizistische Bahnhofsgebäude im Kreis Olpe: zwar funktional, aber hochwertig sowohl vom Material als auch von der Bauausführung her. Fotos: win

Das ehemalige Empfangsgebäude, laut Kunsthistorikerin Andrea Arens das einzige klassizistische Bahnhofsgebäude im Kreis Olpe: zwar funktional, aber hochwertig sowohl vom Material als auch von der Bauausführung her. Fotos: win

win Olpe. Matratzen und Elektrokochplatten stapeln sich dort, wo bis vor einigen Jahren Fahrkarten, Bücher oder Zigaretten gekauft wurden, Reisende ihr Gepäck aufgaben oder auf ankommende Gäste gewartet wurde. Die Stadt nutzt die Eingangshalle des ehemaligen Empfangsgebäudes des Olper Bahnhofs derzeit als Lager. Am Samstag kehrte kurzzeitig wieder Leben in das von der Bahn schon seit vielen Jahren nicht mehr genutzte Untergeschoss des inzwischen stadteigenen Gebäudes, weil auf Bürgeranregung hin ein „Tag der offenen Tür“ stattfand. Die Äußerungen eines von der Stadt beauftragten Koordinators, für Teile des Gebäudes sei das Tragen von Gummistiefeln empfehlenswert, hatten den ehemaligen Grünen-Ratsherrn Fritz Klocke veranlasst, einen solchen Besuchstermin vorzuschlagen, dem die Bauverwaltung nun nachkam.

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Mitarbeiter des Bauamts waren als „Gästeführer“ im Einsatz. Sie zeigten den mehreren Dutzend Besucherinnen und Besuchern die seit etwa drei Jahren leerstehende Bahnhofsgaststätte, die weiteren ungenutzten Räume im Untergeschoss, von denen ein Teil bis vor kurzem von der Möbelbörse der Caritas genutzt wurden, und die ehemalige Wohnung des Bahnhofsvorstehers im ersten Obergeschoss.

Hier wurde es besonders interessant, waren doch Besucher gekommen, die diese Wohnung bestens kannten. So das Ehepaar Benkel aus Rüblinghausen: Heinz Benkel wohnte hier bis 1975: Sein Vater war damals Bahnhofsvorsteher. Bis 1983 waren Benkels noch regelmäßig bei Eltern bzw. Schwiegereltern zu Besuch und blickten sich voller Erinnerungen in der repräsentativen Wohnung mit 4,30 Meter Deckenhöhe um, die nun verwohnt und abgestoßen ist. Im Wohnzimmer sei damals Stuck an der Decke gewesen, erinnerte sich Marianne Benkel, und Heinz Benkel dachte gern an die erlebnisreiche Kindheit und Jugend im Bahnhof zurück, in dem damals das Leben pulsierte. „Wenn die Dieselloks um 3 Uhr angeheizt wurden, dann klingelte der Kronleuchter im Wohnzimmer“, so Heinz Benkel, der mit einigen Umdrehungen die mechanische Klingel an der Wohnungstür wieder zum Läuten brachte.

Drei weitere Wohnungen im Bahnhof werden noch genutzt: Eine Mieterin lebt hier seit 60, ein Mieter seit 45 Jahren. In der ehemaligen Pächterwohnung der Bahnhofsgaststätte hat die Stadt derzeit unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Für alle drei Parteien werden andere Wohnungen gesucht, um den Bahnhof leerzuziehen, damit er wie beschlossen in die Planungen für den Rathausneubau eingezogen werden kann.

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Die Besucher, die am Samstag die Gelegenheit zum Blick hinter die Kulissen ergriffen, sahen ein solides, intaktes Gebäude, an dem der Zahn der Zeit insofern genagt hat, wie er das tun kann, wenn ein Bauwerk über Jahrzehnte nur noch die nötigste Pflege erhält.

Einer der Besucher war Axel Stracke, Vorsitzender des Heimatvereins für Olpe und Umgebung und im Hauptberuf Architekt. Er ging mit scharfem Blick umher, klopfte hier und roch da und meinte am Ende: „Hier ist nichts marode. Das Bauwerk ist kernsolide. Das alles ist unbedingt erhaltenswert. Man sollte sich nicht vom Anblick einschüchtern lassen. Reißen Sie bei sich zu Hause mal die Tapete von der Wand, darunter sieht es auch nicht mehr wohnlich aus.“ Er sei sicher, dass das Empfangsgebäude in seiner bestehenden Form einer anderen Nutzung zugeführt werden könne und das einzigartige Gebäude somit erhalten werden könne.

Kunsthistorikerin Andrea Arens hatte auf Stellwänden eine ausführliche Ausarbeitung über Geschichte und Stil des Bahnhofs ausgehängt. Sie zeigt sich begeistert vom Olper Bahnhof, insbesondere der Tatsache, dass große Teile bis heute weitgehend unverändert blieben. 1873 wurde der erste Spatenstich gesetzt, nachdem zuvor die Bigge umgeleitet worden war, die genau dort floss, wo heute das Empfangsgebäude steht. 1875 war das Gebäude fertig, noch ohne alle An- und Aufbauten. 1911 folgte ein großer Umbau; auf den nördlichen Bauteil wurde ein Geschoss aufgesetzt, in dem die Wohnung des Bahnhofsvorstehers entstand.

Ein nächster größerer Anbau fand 1933 statt; an den südlichen Bauteil wurde ein Anbau errichtet. In ihren Ausführungen, die am Samstag ausgestellt waren, schreibt sie: „Wie die Bahnhöfe in Altenhundem, Finnentrop oder Grevenbrück ist das Empfangsgebäude des Olper Bahnhofs ein reiner Steinbau. Seine Größe und Erscheinungsform ist dabei nicht nur auf die zu erwartende Umschlagshöhe der Waren bemessen, sondern ebenso auf die repräsentative Rolle, die das Gebäude für Olpe als Kreisstadt mit zahlreichen öffentlichen Einrichtungen hatte.“ Der Bahnhof sei, so Andrea Arens, ein Gebäude, das einer Stadt wie Olpe ein Gesicht verleihe. Bei vielen Stadtführungen habe sie stets einen Stapel mit Fotokopien dabei, um den Besuchern der Stadt darstellen zu können, was einmal war. Der Bahnhof sei ein Gebäude, das durch seine Geschichte prägend für Olpe sei, nur ein Beispiel sei die Tatsache, dass der Olper Schützenverein zum Auftakt des Fests nach wie vor „die Musik am Bahnhof abholt“. Wie lange noch? Das wird wohl vom Architekten abhängen, der demnächst den Auftrag für das neue Rathaus erhält. Die Ratsmehrheit ist bislang gewillt, diesem die Zukunft des Bahnhofs in die Hände zu legen. Gummistiefel indes kann dieser zu Hause lassen.

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