Kleinspielfeld raubt Senior den letzten Nerv
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Vor einer Woche haben Unbekannte die Haustür eingeschlagen und den Briefkasten beschädigt.
© Quelle: Michael Kunz
mku Wenden. Es ist eine gute Woche her, da wird Reinhard Brückner aus seiner Ruhe gerissen. Gegen viertel nach 1 Uhr am Morgen, der 73-Jährige sitzt noch vor dem Fernseher, hört er einen „gewaltigen Knall“. Er läuft zur Haustür und sieht die böse Überraschung. Eine Hausmadonna, die in einer Ecke des überdachten Eingangsbereiches stand, ist weg. Die Diebe haben aber vor ihrer Flucht wahrscheinlich damit noch die untere Scheibe in der Haustür eingeschlagen. Dazu ist der Briefkasten beschädigt, die Klappe abgerissen. Sehen kann Brückner niemanden. „Aber ich habe gegenüber Schritte gehört, die sich entfernen“, sagt er. Und: „Das waren keine Kinder!“
Lärm vom Schulhof auch spät abends
Der Hinweis bezieht sich auf den Schulhof direkt gegenüber, dessen Existenz Brückner seit Jahren die Tages- und Nachtruhe raubt. Buchstäblich. Obwohl die Nutzung des dort vor einigen Jahren eingerichteten Spielplatzes und Kleinspielfeldes durch Schilder geregelt und zeitlich auf maximal 20 Uhr begrenzt ist, „hält sich niemand daran“, schüttelt Brückner verärgert den Kopf. Auch am späten Abend noch hört er den Lärm und vor allem das laute Krachen der Bälle an den Fangzäunen, auch in der Mittagszeit sowie an Sonn- und Feiertagen, wenn es eigentlich untersagt ist. Die Polizei schätzt den Schaden an Tür und Briefkasten in einer offiziellen Meldung „im vierstelligen Bereich“, den Wert der Statue auf etwa 200 Euro. Auch am Schulzaun wurden Beschädigungen festgestellt. Das könnte auf ein allgemeines Vandalismusdelikt hindeuten. Reinhard Brückner sieht eine direkte Verbindung zu dem Konflikt, der ihn seit vier Jahren begleitet, seit das Kleinspielfeld gegenüber eingerichtet wurde.
"Mein Kind spielt aber hier"
„Ich wollte hier eigentlich meinen Lebensabend verbringen“, klagt der Wendener. Er wohnt seit 1957 in dem Haus an der Westerbergstraße, „mein Elternhaus“. Viel später erst, 1968, wurde die Schule gegenüber gebaut, nun auch noch der Spielplatz eingerichtet. Mit dem Ganztag nahm die Belastung zu. Aber das sei alles nicht so schlimm, wie die Überschreitungen der erlaubten Phasen, schimpft Brückner. Und genau das macht er seit vier Jahren auch sehr entschieden, er schimpft mit den Kindern und den Eltern, die aus seiner Sicht ebenfalls kein Verständnis für seine Lage hätten. „Mein Kind spielt aber hier“, musste er sich oft genug von Müttern anhören. „Ich sage dann, es ist aber verboten. Aber es interessiert niemanden“, versteht der 73-Jährige das Verhalten einfach nicht.
Er steht seit Jahren mit der Verwaltung im Kontakt, die aus seiner Sicht aber nichts unternimmt. Die Polizei, die er vor einer Woche anrief, „ist erst nach einer halben Stunde gekommen“. Da seien die Täter natürlich über alle Berge gewesen. Und in der Pressemeldung sei das Wichtigste nicht erwähnt worden: „Ich habe eine Belohnung von 1000 Euro für Hinweise ausgesetzt!“ Dies teilte er der SZ-Redaktion mit, die den Hinweis aufnahm. Inzwischen hat er auch die abgerissene Briefkastenklappe auf dem Schulhof wiedergefunden und dies wegen etwaiger Fingerabdrücke an die Polizei gemeldet. Die sei aber nicht interessiert gewesen, konstatiert Brückner. Er will den Spielplatz für die Schulkinder allein geöffnet haben, für die Öffentlichkeit nicht. In Gerlingen hätten sich vor einiger Zeit in einem ähnlichen Fall genug Anlieger zusammengetan, um den Bürgermeister zu einer Schließung zu bewegen. Hier wird es kompliziert. Brückner steht in seinem Ärger ziemlich allein. Die meisten Nachbarn wollten sich nicht einmischen, ärgert er sich. Allerdings liegt sein Wohnzimmer offenbar auch in einer ganz besonderen Schallnische, die den Lärm wie aus einer Trichteröffnung direkt abbekommt. Der Gebäudeteil wurde vor einigen Jahren angebaut. Selbst der Sohn, der im „Altbau“ im ersten seine Wohnung hat, bekommt nichts mit. Eine fast tragische Geschichte.
Mit "Klingelmännchen" fing es an
Für Reinhard Brückner ist der aktuelle Vorfall nur der traurige Höhepunkt einer ganzen Serie. Mit „Klingelmännchen“ habe es angefangen, dann fand er seine Reifen ohne Luft, die Ventile teils mit Sekundenkleber verschlossen. Auch Blumen seien schon ausgerissen worden. Noch mehr aber trifft es ihn, „als Vollpfosten beschimpft zu werden“. Die Eltern kümmere das nicht, und selbst die Betreuer beim Ganztag spielten selbst mit den Kindern auf dem Schulhof Fußball, „obwohl es nur auf dem Kleinspielfeld erlaubt ist“. Dies verschließt er am Abend manchmal eigenmächtig mit einer Kette, die er am anderen Morgen wieder entfernt: „Die klettern aber auch über die Umzäunung!“ Inzwischen denkt Brückner mehr und mehr über einen Verkauf und Umzug nach. Selbst dann, wenn er aufgrund der Lage einen Wertverlust von 50 000 Euro befürchten müsse: „Aber das macht mich einfach kaputt“ Er sei kurz davor, nach all den Jahren zu einem Anwalt zu gehen.
Kinderlärm ist kein Lärm
Dass die Belange des Seniors nicht gehört werden, dass die Einhaltung der Vorschriften nicht kontrolliert werde, stimme so nicht, heißt es dagegen aus dem Rathaus. Polizei und Ordnungsamt sei mit Streifen vor Ort, versichert die zuständige Fachdienstleiterin für Bildung und Soziales Nina Stahl. Aber das gehe natürlich nicht ständig. "Rechtlich gesehen ist Kinderlärm kein Lärm“, verweist sie auf einschlägige Gerichtsentscheidungen, der Gemeinde seien da auch die Hände gebunden. Außerdem hätten Kinder ein Recht darauf, zu spielen: „Wenn wir den Platz schließen und zwei Straßen weiterverlegen“, werde es garantiert auch wieder Beschwerden geben. Das liege einfach in der Natur der Dinge. An der Westerbergstraße hätten sich die Dinge über die Jahre hochgeschaukelt, „mit Anzeigen von beiden Seiten“. Es seien viele Gespräche geführt worden, „zuletzt im März und April“. Aber am Ende käme nichts dabei heraus, gebe es bedauerlicherweise einfach kein Ergebnis, keinen Kompromiss“. Sie habe gerade erst die Informationen rund um die neue Anzeige auf den Tisch bekommen, sagt Nina Stahl. Für sie gibt es keinen direkten Zusammenhang mit dem Schulhof. Aber da sei jetzt wieder etwas angestoßen worden. Die Klagen Brückners nimmt sie ernst: „Aber wir können unsere Spielplätze auch nicht nach den Schlafräumen der Anwohner ausrichten.“