Freudenberg nimmt Abschied von Luise
Freudenberg. „Wie sollen wir es fassen, was nicht zu fassen ist?“ Eine Frage, die über allem anderen steht an diesem Mittwochabend, einem Mittwochabend, wie ihn Freudenberg bisher noch nicht erleben musste. Und eine Frage, die sich auch die 270 Trauergäste in der ev. Kirche Freudenberg und die rund 600 Menschen in und an der Esther-Bejarano-Gesamtschule, die Luise besuchte, stellen.
Eine Stadt nimmt Abschied von Luise. Der Freudenberger Pfarrer Thomas Ijewski hatte die schwierige Aufgabe, Worte zu finden für das Unbegreifliche, für den gewaltsamen Tod dieses zwölfjährigen Mädchens. Worte des Erinnerns, Worte des Trostes, Worte des Dankes.
„Luise ist tot. Eure Luise! Ihr trauert, unsere Stadt trauert und das ganze Land. Heute sind wir hier, an ihrem Sarg. Um uns gemeinsam an Luise zu erinnern. Um von ihr Abschied zu nehmen“, wandte sich der Geistliche an die Trauergemeinde.
Ein Abschied in der ev. Kirche, in der Luise vor so wenigen Jahren getauft wurde. Zeitgleich Abschied an ihrer Schule, in deren Aula und auf deren Schulhof der Trauergottesdienst in einem Audiostream übertragen wurde.
Luise nimmt in Worten für viele erst Gestalt an
Erinnern: an ein Mädchen, dessen Schicksal weltweit die Schlagzeilen der vergangenen Tage bestimmte. Vor allem aber an ein Mädchen, das in Ijewskis Worten für viele Trauernde erst Gestalt annimmt, ein Mädchen, das sich über Urlaube in fremden Ländern freute, „wo sie tauchte wie eine Meerjungfrau“.
Erinnern an Luise, die sich über ein paar Tulpen freuen konnte und die Tiere über alles liebte, „nicht nur ihre Meerschweinchen im Garten, auch Regenwürmer, die sie von der Straße sammelte, damit sie nicht überfahren werden“. Erinnern an Luise, „oft laut und flippig, erfüllt von unbändiger Freude“.
Erinnern an ein Mädchen, dessen traumhaftes Leben in einem Alptraum endete. „Stunden voller Bangen und Hoffen“ rief der Pfarrer den Menschen in Erinnerung, „an eine stockfinstere Nacht, an flackernde Blaulichter“. Stunden der Hoffnung, Stunden des vollen Einsatzes so vieler.
Das Böse darf nicht Überhand gewinnen.
Pfarrer Thomas Ijewski
Und in diesen allerdunkelsten Stunden findet Luises Familie die Kraft, Thomas Ijewski Danke sagen zu lassen: denjenigen, die an diesem Einsatz beteiligt waren, denen, die in den letzten Tagen an Luise gedacht haben, denen, die jetzt für diese Familie da sind. Und tatsächlich ist da auch Platz für Hoffnung: „Mit ihrem Tod, so habt ihr mir geschrieben, hat Luise so viel bewirkt“, so der Pfarrer. „Wildfremde Menschen gehen aufeinander zu, teilen ihre tiefsten Gefühle, sind füreinander da.“
Luftballons für Luise
Das konnte man auch auf dem Schulhof erleben. Einige Menschen ließen Luftballons für Luise steigen, andere legten Blumen nieder, zündeten Kerzen an. Unwillkürlich wandten sich die Trauernden auf dem Schulhof einander in einem großen Halbkreis zu.
Trostreich sei zu erleben, „wie wir zusammenstehen und euer Leiden mit zu unserem Leiden machen“. Gebete werden gesprochen. „Wie gerne hätten wir Luise begleitet in die Zukunft, wären gespannt gewesen auf Klassenfahrten, auf den ersten Freund, auf die Berufswahl und vielleicht die Gründung einer Familie. All das ist nun vorbei, bevor es angefangen hat“. Lieder werden gespielt, „Flugzeug aus Papier“ von Sarah Connor, „wer wird die Stille füllen und dich in Liebe hüllen?“.
Was kann ein Pfarrer trauernden, fassungslosen Menschen mitgeben in solchen Momenten? Thomas Ijewski hat eine klare Antwort: „Das Böse darf nicht Überhand gewinnen. Wir sind füreinander da, und das sollen wir nicht vergessen. Das gibt Hoffnung.“
SZ