Ich fühle, also bin ich
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SZ-Volontärin Alexandra Pfeifer
© Quelle: SZ
Descartes landete mit seinen „Untersuchungen über die Grundlagen der Philosophie“ einen historischen Volltreffer. Tausendfach zitiert wurde die grundlegende Annahme, dass alles, was wir wahrnehmen, angezweifelt werden muss. Natürlich – jeder hat sicher schon einmal etwas anderes gehört als tatsächlich gesagt wurde. Und manchmal kann man seinen Augen zu Recht nicht trauen. Für den französischen Vorreiter der Aufklärungsphilosophie war deshalb klar: Alle Sinneseindrücke sind eine Täuschung. Für Descartes gibt es nur einen Beweis für unsere wahrhaftige Existenz: das Denken. Aber lassen Sie uns doch noch einmal kurz über den Tastsinn sprechen. Denn Berührungen sind mindestens genauso (über-)lebenswichtig. Selbst wenn wir nichts hören, sehen, riechen oder schmecken können – irgendetwas spüren wir immer. Sei es der Boden unter unseren Füßen, der Hosenbund, der uns in die Seite zwickt, oder die Haare, die uns leicht im Gesicht kitzeln. Bereits mit acht Wochen nehmen wir das Streicheln über den Bauch unserer Mutter wahr, sind neun Monate lang von wohlig-warmer Flüssigkeit umschlossen. Wir spielen mit unserer Nabelschnur und nutzen die Plazenta als Kissen – und werden dann von jetzt auf gleich in die Welt hinausgespült. Kein Wunder also, dass wir uns dieses gute Gefühl nach der Geburt woanders holen. Und zwar in allen möglichen Situationen. Man denke an die symbolische Umarmung zur Begrüßung, den jubelnden Menschenknäuel bei einem Fußballspiel, das mutmachende Schulterklopfen vor einer Prüfung oder den tröstenden Arm für einen Trauernden. Bei jeder dieser Berührungen wird in unserem Hirn das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, welches bewirkt, dass wir ruhiger atmen und der Herzschlag gesenkt wird. Mehr noch: Oxytocin schützt uns vor Krankheiten, lindert Stress und Schmerzen, lässt neue Verknüpfungen im Gehirn entstehen, damit wir besser denken können, und sorgt dafür, dass Menschen einander vertrauen und lieben können. Und was lernen wir jetzt daraus, lieber Herr Descartes? Es braucht zwar den Verstand, ganz klar. Aber manchmal reicht auch schon ein bisschen Liebe. a.pfeifer@siegener-zeitung.de a.pfeifer@siegener-zeitung.de