„Praktikant“ wider Willen
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© Quelle: SZ Archiv
Mit 53 noch einmal die Profession wechseln? Kürzlich war ich drauf und dran. Das Praktikum zur beruflichen Neuorientierung jedenfalls habe ich schon mal glorreich absolviert. Wenngleich wider Willen. Die Ausgangslage ist wie folgt darzustellen: Dezent genervt vom umfänglicheren Samstagseinkauf (es gilt, eine Feierlichkeit mit Labsal für die Gäste auszustatten) komme ich nach Hause und begehe den Fehler, im Zuge des Schleppens von Getränkekisten und Einkaufskörben in den Briefkasten zu schauen. Es ist tatsächlich Post für uns drin. Leider nicht in der Mehrzahl. Immerhin vier (in Worten: vier!) Briefe haben ihren Bestimmungsort verfehlt. Zwei tragen die richtige Hausnummer, aber mitnichten unsere Namen. Sie hätten in der Nachbarstraße landen sollen, die zugegeben ähnlich heißt wie die unsrige. Zwei weitere verzeichnen weder die passende Hausnummer noch einen unserer Namen, dafür aber die richtige Straße. Sagte ich, ich bin „dezent“ genervt? Jetzt nicht mehr … Ich werde eines gelben Kastenwagens gewahr, der sich mir nähert. Wild entschlossen schreite ich auf die Straße, fuchtele mit den Armen. Der Fahrer hält. Ich schildere die Sachlage. „Ich bin von DHL Express, da müssen Sie sich an die Deutsche Post wenden“, lautet die wenig befriedigende Antwort auf meine Vorhaltungen. Ich lasse von ihm ab. Der Mann kann nichts für meine Malaise. Dann also dem „Post-Mann“ hinterher! Angetrieben von hitzigem Impuls, schwinge ich mich hinters Lenkrad und fahre in die Richtung, in der ich den Briefträger vermute – keinen Gedanken daran verschwendend, dass der längst über alle Berge sein wird. Kaum in der nächsten Straße angekommen, erkenne ich den geringen Gedeihlichkeitsgrad meiner Unternehmung und mache (Kalauergefahr!) postwendend kehrt. Um dann ganz zum angepassten, braven Bürger zu mutieren, der sämtliche Briefe ordnungsgemäß in der Nachbarschaft abliefert. Ich behaupte, ich habe meinen Job gut gemacht. Briefträger werde ich aber nicht. Wer weiß, wer einem da so hinterherfährt. a.weiss@siegener-zeitung.de
SZ