Tritt ins Leere
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SZ-Redakteur Alexander W. Weiß
© Quelle: SZ
Geschwindigkeit gibt Stabilität. Widerstand ebenfalls. Behaupte ich einfach mal schlankweg, obgleich ich nie eine große Leuchte in Bezug auf die Wissenschaft der Physik war und sicher auch nie eine sein werde. Sintemalen mir der Kopf so gar nicht danach steht. Allerdings, und das ist das Schöne und Beruhigende, lernt der Mensch ja nicht ausschließlich am Pult, sondern ebenso gut an der Praxis des alltäglichen Lebens. Zum Beispiel beim Fahrradfahren. Ich brauche freilich nicht studiert zu haben, um zu wissen, dass der Lenker schwer kontrollierbar schlackert, wenn das Tempo zu wünschen übrig lässt. Finde ich mich in einem solchen Zustand wieder, so versuche ich folglich, die Geschwindigkeit in einem Maße zu erhöhen, dass sie mir die eingangs erwähnte Stabilität zustande bringt. Eigentlich. Doch offenbar denkt so nicht jeder … Ich bin also mit meinem Kleinwagen auf einer recht belebten Straße unterwegs, als ich in einiger Entfernung vor mir eines Radlers gewahr werde, dessen verkehrstechnisches Gebaren den Eindruck erweckt, als sei er schon am Vormittag nicht mehr ganz „ohne“ unterwegs. Sie verstehen … Doch offensichtlich täusche ich mich, wie ich bald bemerke, als ich näher an das instabile Geschehen heranrücke. Während des Radfahrers Lenker bedenklich hin- und herzuckt wie eine verwirrte Fledermaus am Abendhimmel, wackelt, gewissermaßen in Gegenbewegung dazu, das Heck des Bikes bedenklich wie weiland die rostige Spielplatz-Wippe aus meinen Kindertagen. „Der ist imstand und dotzelt dir strack vors Auto“, denke ich und bekomme es mit der Angst zu tun. Als ich gerade noch überlege, wie ich den jungen Herrn wohl einigermaßen gefahrlos überholen könne, finde ich die Erklärung für sein wundersames Tun: Ihm fehlt der Widerstand – und damit die Geschwindigkeit. Der Gute tritt, vermutlich im niedrigsten Gang, beständig ins Leere, kriegt null „Zug“ auf die Pedale. Sein Tritt ist so exorbitant hochfrequent, dass ein Hamster im Rad dagegen wirkt, als ob er chille. Mein Radler könnte indes eine Bohrmaschine antreiben. Behaupte ich einfach mal. Aber ich bin ja auch keine große Physik-Leuchte.
SZ