Kreisbrandmeister Bernd Schneider: Flammender Appell an Politiker mit „Krisendemenz“
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Der geschäftsführende Vorstand des Kreisfeuerwehrverbands Siegen-Wittgenstein besteht nun aus dessen Vorsitzendem Rainald Thiemann (Mitte), seinen beiden beiden Stellvertretern Marc-André Amos (links) und Thorsten Schreiber (daneben) sowie dem Geschäftsführer Daniel Heinelt (2. v. rechts) und Dietmar Kalteich.
© Quelle: Björn Hadem
Siegen/Bad Berleburg. „Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht in Rage rede“, beruhigte sich Bernd Schneider am Mikrofon im „Haus Heimat“ in Rudersdorf selbst. Die Delegierten im Kreisfeuerwehrverband Siegen-Wittgenstein dürften in Zukunft die Deutlichkeit seiner Worte vermissen, nachdem der altersbedingt bald ausscheidende Kreisbrandmeister am Samstag seinen mutmaßlich letzten Jahresbericht als oberster Feuerwehrmann im Kreis abgab.
Schade nur, dass die meisten politischen Gäste die Sitzung bereits verlassen hatten, als Bernd Schneider ihnen ins Gewissen reden wollte: „Wenn es uns nicht bald gelingt, das Ehrenamt nachhaltig zu entlasten und von vielen, auch selbst liebgewonnenen Aufgaben zu befreien und gemeinsam neue Wege zu gehen, wird es langfristig das System so nicht mehr geben.“
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Kreisbrandmeister Bernd Schneider (rechts) saß am Samstag in Rudersdorf mutmaßlich zum letzten Mal als Kreisbrandmeister auf dem Podium des Kreisfeuerwehrverbands Siegen-Wittgenstein an der Seite vom Verbandsvorsitzenden Rainald Thiemann.
© Quelle: Björn Hadem
Mit dem „System“ umschrieb er die gewachsenen Strukturen freiwilliger Feuerwehrarbeit, „Gefahrenabwehr für kleines Geld“ zu nutzen – genau dafür müssten vor allem die Kommunen „Geld in die Hand nehmen“. Konkret: „Wir brauchen zentrale Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Fahrzeugwartung, Atemschutz, Schlauchwerkstatt, Geräteprüfung, aber auch bei der persönlichen Schutzausrüstung.“
Schneider stellte klar: „Von solchen zentralen Maßnahmen sind wir kilometerweit entfernt.“ Klar implizierte der Kreisbrandmeister damit die Notwendigkeit, Planung und Bau eines kreisweiten Gefahrenabwehrzentrums voranzutreiben. Aber er mahnte auch zu einem Umdenken bei Ausbildern und Lehrgangsverantwortlichen, um den Nachwuchs qualifizierter Einsatzkräfte zu sichern: Junge Menschen setzten heute ihre Prioritäten anders, „und wir bilden noch immer wie 1975 aus.“
Die üblicherweise an Krisendemenz leidenden Politiker sollten die Krisen der letzten Jahre dazu nutzen, den Katastrophenschutz neu und zukunftsweisend aufzustellen.
Kreisbrandmeister Bernd Schneider
Auch die weltpolitischen wie klimatischen Veränderungen motivierten ihn zu kritischen Tönen gen Politik: Angesichts von Naturkatastrophen und einer drohenden Energiemangellage zeige sich, „dass Planstellen im Bereich des Katastrophenschutzes bei den Behörden Jahrzehnte unbesetzt waren, dass es kaum noch jemanden gibt, der sich mit der Thematik überhaupt auskennt“.
Sein Appell: „Die üblicherweise an Krisendemenz leidenden Politiker sollten die Krisen der letzten Jahre dazu nutzen, den Katastrophenschutz neu und zukunftsweisend aufzustellen.“
Mehr Einsatzkräfte als im Vorjahr
Als positive Überraschung verbuchte er indes die Feststellung, dass sich mit aktuell 3443 aktiven Feuerwehrfrauen und -männern im Kreis Siegen-Wittgenstein die personelle Situation in den Feuerwehren der elf Städte und Gemeinden im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht verbessert habe.
Doch auch hier mahnte er zu genauem Hinschauen, denn einer Vielzahl ausgebildeter Maschinisten stehe eine viel zu niedrige Zahl an verfügbaren Atemschutzgeräteträgern gegenüber: „Das schönste große rote Auto nützt uns nichts, wenn es zwar gleichzeitig von drei Mann zur Einsatzstelle gefahren werden könnte, aber dann nur ein Atemschutzgeräteträger aussteigt.“
Schließlich brach er eine Lanze für die existenziell bedeutsame Nachwuchsarbeit in den Kinder- und Jugendfeuerwehren: 1921 junge Menschen seien derzeit kreisweit darin aktiv – „das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen“.
Thorsten Schreiber neu im geschäftsführenden Vorstand
Den stellvertretenden Kreuztaler Feuerwehrchef Thorsten Schreiber wählten die Delegierten der Versammlung ohne Gegenstimmen zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden des Kreisfeuerwehrverbandes.
Der 54-jährige Krombacher ergänzt damit das Team des geschäftsführenden Vorstands mit Rainald Thiemann an der Spitze, dem weiteren Stellvertreter Marc-André Amos und den in ihren Ämtern wiedergewählten Vorstandskollegen, Geschäftsführer Daniel Heinelt und Schriftführer Dietmar Kalteich.
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Freuten sich über Ehrungen des Kreisfeuerwehrverbands (von links): Dirk Höbener, Klaus Langenberg, Rüdiger Schneider und Harald Stecher.
© Quelle: Björn Hadem
Bei gleicher Gelegenheit ehrte der Verband verdiente Funktionäre: Den als stellvertretender Vorsitzender abgelösten Klaus Langenberg und Dirk Höbener erhielten die Ehrennadel des Verbands in Gold. Rüdiger Schneider und Harald Stecher dürfen sich seit Samstag Ehrenmitglieder des Kreisfeuerwehrverbands nennen und sich über eine Ehrennadel in Gold mit Kranz freuen.
Helfer sollen von unnötigen Einsätzen verschont werden
Der Zusammenschluss aller Feuerwehren im Kreis hat eine ganze Reihe von Themen, die er verstärkt in den Fokus nehmen möchte. Dazu gehöre, so Verbandsvorsitzender Rainald Thiemann, der zukünftige Umgang mit „Spontanhelfern“ bei größeren Einsatzlagen; sie könnten schnelle und unbürokratische Hilfe leisten, die aber mit staatlicher Hilfe abgestimmt werden müsse.
Eine „konsequente Strafverfolgung und Ahndung im Rahmen des Strafgesetzes“ forderte Thiemann rund um Gewalt gegenüber Einsatzkräften. Ebenso möchte sich der Verband dafür einsetzen, die freiwilligen Helfer vor unnötigen Einsätzen (weil anders planbar oder unnötig) zu bewahren.
SZ