Reparieren, nicht neu machen

Einfach schön: diese geflickten Straßen mit der Goldkante

Der Sandrand um die geflickten Schlaglöcher, erinnert an Kintsugi, die japanische Herangehensweise an kaputte Sachen.

Der Sandrand um die geflickten Schlaglöcher, erinnert an Kintsugi, die japanische Herangehensweise an kaputte Sachen.

Siegen. Von Japan lernen, heißt Siegen lernen. Und was Siegen augenscheinlich von Japan gelernt hat, ist: Kintsugi. Gerade zu sehen allüberall im Stadtbild, und da: eher weiter unten. Wo unsere Füße sind. Ich find‘s schön und erkläre das kurz.

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Kintsugi ist die japanische Herangehensweise an kaputte Sachen. Wenn ich das Prinzip richtig verstehe, geht es darum, Zerbrochenes wieder zusammenzufügen, dabei aber die Bruchlinie im Schälchen nicht irgendwie schamhaft zu verstecken zu versuchen – man sieht es ja eh –, sondern sogar noch extra zu betonen: mit einem Goldlack, der sagt: Schaut her, das war kaputt, aber es ist mir so wichtig, mein Schälchen, dass ich es nicht wegwerfe und durch ein neues ersetze, sondern es soll bei mir bleiben in seiner ganzen Zerbrochenheit. Ich habe es wieder heile gemacht, kenne seine Geschichte und wertschätze es, so wie es jetzt ist, vielleicht noch mehr als zuvor.

Schälchen kaputt? In der japanischen Kultur hat Reparieren einen hohen Wert. Dafür gibt es eine eigene Kunstform namens Kintsugi.

Schälchen kaputt? In der japanischen Kultur hat Reparieren einen hohen Wert. Dafür gibt es eine eigene Kunstform namens Kintsugi.

Ich komme darauf, weil offenbar gerade Schlaglöcher repariert werden. Drumherum, wo Löcher gestopft worden sind, ist ein Sandrand, eine Art Goldkante. Das hat mich an Kintsugi erinnert.

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Nicht gleich alles neu machen

Vielleicht hat da jemand in der zuständigen Abteilung bei der Stadt gedacht: Schaut, liebe Leute, diese Straße ist kaputt – und ja, sie ist saumäßig kaputt, eigentlich ist sie mehr kaputt als ganz –, aber wir mögen sie und wertschätzen sie, denn hier leben ja unsere Bürger und Bürgerinnen, und die mögen sie auch. Wir machen die Straße wieder heile, aber jetzt nicht gleich im großen Stil, also neu. Sondern wir anerkennen die Existenzberechtigung der Schlaglöcher. Die Belastung durch den Verkehr, der immer mehr wird und immer schneller, den Winter…

Kirschblütenfest: ein Mitbringsel aus Japan

Wir stopfen die Schadstellen nach alter deutscher Handwerkskunst, verfeinert durch unsere Kenntnisse, die wir in einem fünftägigen Workshop in Sapporo erworben haben. (Wie gern denken wir an die Kirschblüte dort zurück! Von dort haben wir auch die Idee zum Kirschblütenfest am Fuße des Wellersbergs mitgebracht. Reisen bildet.) Am Ende streuen wir Sand drüber, denn dann klebt es nicht so an den frisch gewechselten Autoreifen, und der goldgelbe Sandrand betont die reparierte Stelle wirklich schön. Dann, ja dann blicken wir still auf die getane Arbeit. Wie alle Menschen sich freuen am geflickten Zustand der Straßen, das erfreut uns.

Bestimmt war das so. Wenn wir doch alle so Zen wären.

SZ

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