Sozialabgaben in Ferrari investiert
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/22ELB733GTCVC67BMG5T326C5P.jpg)
Statt Sozialabgaben abzuführen, kauft sich ein 60-jähriger Siegerländer einen Ferrari.
© Quelle: pixabay
mick Siegen. Zwei Jahre auf Bewährung, 3000 Euro Buße an die DRK-Kinderklinik – und weitere 335 019,41 Euro in monatlichen Raten an die geschädigten Versicherungen zahlen muss ein 60-jähriger Siegerländer, der sich am Dienstag vor dem Schöffengericht verantworten musste. Der in vollem Umfang geständige Angeklagte hatte die oben genannte Summe dadurch „erwirtschaftet“, dass er von Januar 2014 bis Mitte 2019 keine Sozialabgaben für seine Beschäftigten abgeführt hatte. Stattdessen kaufte er drei Luxussportwagen und führte sie als Firmeneigentum.
Ein Unternehmen für Dach- und Fassadenverkleidung brauche solche Wagen sicher nicht als Geschäftsfahrzeuge, argumentierte Staatsanwalt Bender süffisant. Der Angeklagte – Geschäftsführer und einziger Gesellschafter – habe einfach nur sein teures Hobby mit den Firmengeldern finanziert. Ein Ferrari und ein Renault Alpine gehen am Ende der Verhandlung direkt in das Eigentum des Staates über. Der dritte Wagen ist aktuell im Eigentum der Olper Sparkasse – aufgrund einer Sicherheitsübereignung. Den soll er erst einmal weiterfahren dürfen.
Montagefirma verzichtete auf eigene Kräfte
Der Mann hatte im März 2012 eine Firma für Fassaden- und Dachverkleidungen gekauft und nach eigenem Bekunden ein System übernommen, das deren Gründer bereits erfolgreich installiert hatte. Die Montagefirma arbeitete als Subunternehmen für zwei Auftraggeber und verzichtete auf eigene Kräfte, engagierte dafür wiederum selbstständige Arbeiter, die mit Aufträgen versorgt wurden. Für Amtsrichter Matthias Witte und seine Schöffen sind diese aber rechtlich als Scheinselbstständige einzustufen. So war der Angeklagte daher unbedingt verpflichtet, Sozialbeiträge für die Männer zu entrichten.
2009 hatte es noch elf Mitarbeiter gegeben. Als der Angeklagte übernahm, war es einer, im Folgejahr keiner mehr. Der Mann nahm Aufträge an, wies seinen rumänischen Vorarbeiter an, in Südosteuropa willige Arbeiter anzuheuern, die dann in Deutschland ein Gewerbe anmeldeten und aus seiner Sicht selbstständig für ihn aktiv wurden.
Mit Sammeltransport zur Baustelle
Jeden Tag wurden die Männer mit einem Sammeltransport zur Baustelle gefahren, man gab ihnen hochwertige Werkzeuge sowie das nötige Material für die gewünschten Arbeiten. Das alles deute nicht auf selbstständige Subunternehmer hin, monierte das Gericht.
Verteidiger Rössler fand, sein Mandant sei praktisch in ein bestehendes System eingestiegen, habe sich keine größeren Gedanken gemacht. Vor allem sei er nur von zufriedenen Leuten umgeben gewesen: Auftraggeber und Mitarbeiter gleichermaßen, „er selbst war auch zufrieden“.
26 von 151 Fällen eingestellt
Der Jurist wunderte sich vor Gericht, dass die Rentenversicherung zweieinhalb Jahre gebraucht habe, um nach ersten Hinweisen gegen seinen Schützling vorzugehen. 26 der ursprünglich 151 Fälle sind eingestellt worden, weil umstritten ist, wann eine mögliche Verjährung beginnt.
„Wir haben hier keinen Lebensstil zu beurteilen“,so Richter Witte in seiner Urteilsbegründung. Die Investition hoher Summen in Luxusautos sorge allerdings „für ein Geschmäckle“, das ihm und den Schöffen eine Strafaussetzung zur Bewährung zumindest nicht leichter gemacht habe. Der Siegerländer ist nicht vorbestraft und lebt in gesicherten Verhältnissen. Deshalb und wegen des „fortgeschrittenen Lebensalters“ geht das Gericht davon aus, dass es künftig keine weiteren Taten geben wird.