Ein erfrischendes Badeerlebnis
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Zinser Geschichte: Aus dem Dorf mit schlechter Anbindung wurde in den 1920er- und 1930er-Jahren ein Urlaubsort mit eigenen Postkarten und Freibad. Daran erinnern sich Inge Bald (86) und Rudolf Bald (90).
© Quelle: privat
vc Zinse. Der Tourismus nimmt in den 1920er- und 1930er-Jahren an Fahrt auf – auch in Zinse. Die Bürger des bisher durch die Landwirtschaft geprägten Dorfes beschließen im Jahr 1925, dass ihre Ortschaft Kurort werden soll. 1932 einigten sich die Bürger sogar darauf, ein Freibad in den Talgrund zu bauen.
„Keine Ruhe“ habe es ihr gelassen. Der in der Siegener Zeitung erschienene Artikel über das Freibad in Erndtebrück trieb Inge Bald in den vergangenen Tagen um. Ihre Erinnerungen und die ihres Mannes Rudolf Bald waren wieder zurück – Erinnerungen an das Freibad von Zinse. „Als ich den Artikel las, musste ich tätig werden“, meinte die langjährige SZ-Leserin und präsentierte alte Fotos und Schriftstücke. Inge Bald lernte zwar in Erndtebrück das Schwimmen bei Lehrer Twente. Doch das Freibad in Zinse hat sie in vollen Zügen in ihrer Kindheit genossen. Mitte der 1930er-Jahre begann die Blütezeit des Bades. „Wir haben uns in der Schule umgezogen – oder hinter den Tannen“, berichtete Inge Bald gut gelaunt.
Erste Schwimmversuche in Zinse
Auch ihr Ehemann Rudolf Bald machte seine ersten Schwimmversuche in Zinse. „Unser Onkel Fritz Afflerbach, ein Lehrer aus Herne, war bei uns zu Besuch, Er nahm meine Schwester Lieselotte und mich mit in das Freibad“, erinnerte sich der ehemalige Spediteur. Auf einem Balken hätten sie gesessen, als es das erste Mal durch das Zinser Nass ging. Beide Kinder konnten da noch nicht schwimmen. „Der Balken kippte um, und wir landeten im Wasser. Zuerst holte der Onkel meine Schwester ans Trockene, danach tauchte er nach mir“, sagte Rudolf Bald, der sicher war, dass er auf den Kopf gestellt worden sei, bis das Wasser rausgelaufen war. Noch heute werde er mit den Worten zitiert: „Ich habe den Himmel doch noch gesehen.“
Letzten Endes lernte auch Rudolf Bald in Zinse schwimmen – wenn auch unter recht frischen Bedingungen. „Es war morgens lausig kalt. Das Schulschwimmen fand nur morgens statt“, gab Rudolf Bald zum Besten. Seine Frau Inge Bald konnte berichten, dass das Wasser vom Dreiherrenstein durch das Tal in das Freibad floss.
"Wir haben uns in der Schule umgezogen – oder hinter den Tannen." Rudolf Bald über die Schwimmstunden in Zinse„Das war wirklich frisch“, sagte die Zinserin lachend – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Sonne damals erst am Nachmittag das Becken ein wenig erwärmte. Das Freibad habe aber noch etwas Gutes bewirkt, schob Rudolf Bald nach. Denn vor dem Bau der 25 Meter langen und 12,5 Meter breiten Badeanstalt hätte kaum ein Zinser das Schwimmen gelernt.
Die ursprüngliche Natur und das Freibad waren die touristischen Pfunde, mit der die Zinser wuchern konnten. Der Fremdenverkehr in der Ortschaft nahm ab den 1950er-Jahren wieder Fahrt auf, nachdem er kriegsbedingt zum Erliegen gekommen war. In einem Artikel von Adolf Laues in den Blättern des Wittgensteiner Heimatvereins wird von Zweifeln im Ort berichtet. In dem Heimatblatt heißt es: „Die Wandlung des Dorfes zu einem Fremdenverkehrsort ging natürlich nicht ohne Widerstände im Dorf selbst ab. (…). Die Gleichung ,Ein Gast im Haus gleicht einer Kuh im Stall‘ überzeugte nicht alle.“
12 122 Übernachtungen im Jahr 1965
1957 übernachteten schon 3769 Gäste im kleinen Dorf. Die Zinser konnten bereits 1965 einen Rekord von 12 122 Übernachtungen verbuchen. „Da waren wir immer weit vor Erndtebrück“, kommentierte Rudolf Bald gut gelaunt. Das Ehepaar Bald war selbst viele Jahre Gastgeber. Der bekannte Gasthof Afflerbach, der mit viel Mühe nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde, hat den Betrieb stark zurückgefahren. Das Ehepaar Bald kann im fortgeschrittenen Alter die Arbeit nicht so leisten, wie es zu besten Zeiten der Fall war. Doch noch herrscht ab und an geschäftige Betriebsamkeit im Gasthof. Die rüstigen Zinser – Inge Bald ist 86 und Rudolf Bald zählt 90 Jahre – sind immer noch gerne Gastgeber, wenn auch ganz privat. Sehr lang bestand das Freibad übrigens nicht. 1945 tobte der Krieg im kleinen Dorf Zinse. Das Elternhaus von Inge Bald (geb. Afflerbach) ging – wie drei weitere Häuser im kleinen Dorf – in Flammen auf. Die Zinser konzentrierten sich auf den Aufbau. 1945 oder 1946 – da ist sich das Ehepaar Bald nicht so sicher – sei das Freibad dann nicht mehr in Betrieb gewesen. Außer alten Fotos ist kaum etwas geblieben.
Zurzeit gibt es in Wittgenstein noch vier Freibäder: in Bad Berleburg, Bad Laasphe, Feudingen und Hesselbach. Auch die Geschichte des früheren Freibads in Zinse wirft die Frage auf, ob und wo es in Wittgenstein früher weitere Badeanstalten gegeben hat, die es heute nicht mehr gibt. Wer davon berichten will, wendet sich per E-Mail an b.weyand@siegener-zeitung.de.