Schauspieler über Twitter-Hass und den Umgang mit Diskriminierung

Christian Ulmen zur finalen „Jerks.“-Staffel: „Ich liebe den Streit“

Der Schauspieler Christian Ulmen.

Der Schauspieler Christian Ulmen.

Christian Ulmen, geboren am 22. September 1975, ist als Schauspieler, Entertainer und Moderator ebenso erfolgreich wie hinter den Kulissen als Autor, Regisseur oder Produzent. Einem größeren Publikum bekannt wurde Ulmen durch die MTV-Show „Unter Ulmen“, später spielte er Hauptrollen in Kinoerfolgen wie „Herr Lehmann“ und gab im TV einen „Tatort“-Kommissar in Weimar. In der Comedyserie „Jerks.“, die er produziert und bei der er auch Regie geführt hat, spielt er sich selbst. Die fünfte und letzte Staffel ist ab dem 2. Februar auf Joyn Plus+ abrufbar.

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Christian Ulmen, in der neuen „Jerks.“-Staffel erfährt man, wie sich Christian und Fahri als Kinder kennenlernten. Dass Sie Ihre Mutter damals die Treppe heruntergestoßen haben­ …

… ist natürlich dramaturgisch überhöht. Aber wie wohl fast jedes Kind habe ich mich für meine Mutter geschämt, ohne dass es dafür einen wirklichen Grund gegeben hätte. In dem Hamburger Hockeyclubviertel, in dem ich lebte, sahen die Frauen aus wie die im Otto-Katalog. Mit diesem Frauenbild sind wir aufgewachsen, während unsere Eltern keine Ahnung davon hatten, dass wir uns an der Tankstelle den „Playboy“ besorgt und nachts heimlich das „Männermagazin“ auf RTL gesehen haben. Heute haben Eltern deutliche Bilder davon im Kopf, was ihre Kinder sehen könnten, und haben die Chance, sich mit dieser Übersexualisierung auseinanderzusetzen. Wir haben im Zirkelschluss extra Influencerinnen besetzt, Gia und Alyssa, die dieses Frauenbild bei Instagram abbilden.

Man kann aber kaum behaupten, dass „Jerks.“ untersexualisiert wäre, angesichts von Themen wie Prostatamassage etc.

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Das stimmt. Aber es geht nie um die Frau als Lustobjekt. Unsere Sexualisierung erzählt vom Scheitern, von Schmach und Scham. Tatsächlich fühlen sich bei „Jerks.“ bisher relativ wenig Menschen auf die Füße getreten, obwohl viele vielleicht schon Anlass dazu gehabt hätten.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Vielleicht daran, dass bei „Jerks.“ die Pointe nie bei den Randgruppen liegt. Man lacht nicht darüber, dass einer keine Beine mehr hat und im Rollstuhl sitzt, sondern weil Fahri und Christian sich so dämlich anstellen im Umgang mit jemandem, der im Rollstuhl sitzt. Allerdings ist Disput doch auch nichts, wovor man sich schützen muss. Wir laufen neben Milliarden Leuten durch die Welt, da ist es kaum möglich, sich nicht auf die Füße zu treten. Ich liebe den Streit. Nur Schießereien des Schießens wegen auf Twitter finde ich manchmal anstrengend.

Was macht das mit denen, die „beschossen“ werden?

Sarah Kuttner hat in einem Podcast einmal im Zuge eines Gesprächs über Menschen mit dunkler Hautfarbe das „N“-Wort gesagt und wurde dafür zu Recht kritisiert. Ein Shitstorm zog auf. Den hat Sarah so mitgenommen, dass sie sich sehr emotional und unter Tränen bei allen entschuldigte, die sie verletzt hat. Wenn der Shitstorm aber dann nicht aufhört, wenn eine Entschuldigung nichts zählt und echte Tränen als Täter-Opfer-Umkehr beschimpft werden, dann wird aus einem Disput eine Mistgabelschlacht, und die ist lächerlich.

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Ist angesichts der Abkanzelkultur im Internet das Prinzip des Kompromisses gescheitert?

Marina Weisband hat das kürzlich in einem Podcast auf den Punkt gebracht: Wir müssen in den Dialog treten und Verständnis füreinander aufbringen. Das klingt erst mal platt, ist aber die Herausforderung. Der eine fühlt sich seiner Biografie beraubt, weil er das Gefühl hat, seine Karl-May-Kindheit entsorgen zu müssen. Der andere will auf eine Verletzung hinweisen, die ihn schon lange quält, und bittet darum, bestimmte Begriffe einfach nicht mehr zu sagen. Zwischen diesen Befindlichkeiten muss sich doch eine Schnittmenge finden. Weisband fand das tolle Beispiel: Wenn bei dir einer klingelt und dich bittet, den Staubsauger auszumachen, weil es dich gerade beim Lesen stört, würdest du ja auch sagen „klar, ‘tschuldige“.

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Klingt ein bisschen arg einfach.

Ja. Ist das nicht schön? Wegzukommen vom unbedingten Recht-haben-Wollen, das wäre doch ein Segen. Viele haben aber genau da Bock drauf, Leute wie der Kolumnist Jan Fleischhauer, die genau wissen, welchen Tweet sie absetzen müssen, um die andere Seite zu provozieren. Diese Meinungsökonomen sagen sich: Super, das erhöht meine Reichweite. Solche Typen wollen wie ein Gladiator in der Arena stehen, eine echte Debatte und echte Lösungssuche ist dabei völlig egal. Diese Ökonomisierung von Meinung ist ätzend.

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