ESC-Parade ohne deutsche Flagge: Woher kommt die Kritik an Lord of the Lost?
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Flaggenparade ohne Flagge: Die deutsche Band Lord of the Lost beim ESC in Liverpool.
© Quelle: IMAGO/Pixsell
Berlin. Käärijä mit giftgrünen Puffärmeln und finnischer Flagge, Loreen mit überlangen Fingernägeln und schwedischer Flagge, Let 3 mit Drag-Diktatoren-Kostümen und kroatischer Flagge: Nach Startnummern sortiert wurden am Samstagabend die Künstlerinnen und Künstler des Eurovision Song Contests in die St.-George-Halle gerufen. An 21. Stelle betraten dann Lord of the Lost die Bühne, der deutsche ESC-Beitrag. Die fünf Rocker hoben sich nicht nur mit ihren roten Latexoutfits von den anderen Sängerinnen und Sängern ab, sondern auch mit dem Fehlen ihrer Landesflagge.
Nach dem Finale wurde das zum Thema in den sozialen Netzwerken: „Sehe ich das richtig, dass Deutschland als einziges Land beim #esc (aber eigentlich als einziges Land auf der Welt) nicht imstande ist, bei einem Wettbewerb zwischen Ländern die eigene Nationalfahne zu zeigen?“, fragte beispielsweise der Journalist Jan Karon bei Twitter. Andere stellten einen Zusammenhang zwischen der fehlenden Flagge und dem Abschneiden der Band her: „Wer nicht imstande ist, die Flagge des Landes zu präsentieren, der hat auch nicht verdient zu gewinnen“, schreibt ein Twitter-Account mit den Namen „Heimatgefühl“.
ESC: Lord of the Lost haben sich gegen Einlaufen mit Deutschland-Flagge entschieden
Warum verzichtete die Band auf die Deutschland-Fahne? Lord of the Lost waren am Montag für ein Statement in dieser Frage nicht zu erreichen. „Beim ESC konnten alle Teilnehmer selbst entscheiden, ob sie mit Flagge einlaufen möchten oder nicht“, teilte der in Deutschland zuständige Sender NDR am Montag auf Nachfrage des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit. Lord of the Lost hätten sich eigenständig gegen das Einlaufen mit Flagge entschieden.
Außerdem habe es beim Einlaufen der teilnehmenden Acts am Anfang des Finales eine deutliche Länderkennung auf der gesamten Bühne gegeben. Gemeint ist wohl die Videowand hinter der Bühne in den Farben der jeweiligen Länder. „Im Übrigen war der für Deutschland teilnehmende Act nicht der einzige, der auf die Landesflagge verzichtete“, sagte eine NDR-Sprecherin. Zumindest im Finale war Deutschland aber alleine mit der Entscheidung.
Ein rechter Shitstorm im Wasserglas?
Die Kritik an Lord of the Lost kommt nicht von der breiten Masse der ESC-Fans. Auffällig ist, dass sich bei Twitter vor allem Accounts mit dem Thema beschäftigen, die sonst durch die Kommentierung politischer Inhalte aus konservativer bis rechter Perspektive auffallen. Jan Karon, der einen der erfolgreichsten kritischen Tweets verfasst hat, wurde im vergangenen Jahr von Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt zu seinem neuen Medienprojekt geholt.
Auch Reichelt selbst twitterte über die „Brüll-Deutschen“ ohne Flagge. Der „ÖRR Blog“ reiht sich ebenfalls in den Chor der Kritiker ein wie „NZZ“-Redakteur Alexander Kissler, der Blogger „Argo Nerd“ und ein CDU-Mitglied mit dem Handle @coolservative. Gebündelt sind diese Tweets zu finden auf der Seite „Pleiteticker“ – die betrieben wird vom Team um Julian Reichelt. Die Fahnenkritik wirkt wie ein rechter Shitstorm im Wasserglas.
Ganz anders läuft die Diskussion in Italien: Sänger Marco Mengoni lief zwar mit der Landesflagge ein, hatte aber auch eine Regenbogenflagge mit dabei. In italienischen Medien und sozialen Netzwerken bekam er dafür viel Zuspruch. „Marco Mengoni hat mit diesen beiden Flaggen bereits gewonnen“, schrieb eine Twitter-Userin. Auch Lord of the Lost hatten sich im Vorfeld des Finales in Liverpool mit Regenbogenflagge gezeigt. Für einen Spot des britischen Senders BBC, in dem alle Acts vorgestellt werden, posierten die Rocker mit Regenbogenflagge – im Gegensatz zu allen anderen Künstlern aber wieder nicht mit Landesflagge.