Lange Lieferzeiten für Camper und Co.: Die Begeisterung ist trotzdem ungebrochen
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Enormer Andrang bei der CMT 2023.
© Quelle: CMT
Kaum ein Geschäftszweig hat in so starkem Maße von der Corona-Pandemie profitiert wie die Caravaningbranche. Das Reisen mit Wohnmobil und Wohnwagen, ohnehin seit Jahren von nachhaltigem Wachstum geprägt, bekam noch einen weiteren Schub. 2020 und 2021 erbrachten weitere Zulassungsrekorde; erstmals wurde die Marke von 100.000 Freizeitfahrzeugen pro Jahr geknackt und die Reisemobile meldeten die Allzeithochs Nummer zehn und elf in Folge!
Doch ausgerechnet mit dem Ausklingen der Pandemie brachen im letzten Quartal 2022 die Zahlen der Neuanmeldungen massiv ein: Ein Gesamtergebnis von rund 91.000 Einheiten bedeutet einen Rückgang um 14,3 Prozent in der Jahresbilanz. Das ist größtenteils zurückzuführen auf die Wohnmobile, die es allein mit einem Minus von 18,3 Prozent auf 66.507 Zulassungen noch heftiger erwischt hat. Ist den Deutschen die Lust am Camping nun doch vergangen?
Hermann Pfaff, der Präsident des Caravaning-Industrie-Verbandes (CIVD), relativiert die Zahlen. „Gewiss, es war ein außergewöhnliches Jahr, wie es die Caravaningbranche noch nie erlebt hat“, resümiert der Verbandschef bei seiner Jahresbilanz 2022. Die massiven Lieferketten- und Logistikprobleme sowie der Chassismangel hätten für erhebliche Beeinträchtigungen in der Produktion gesorgt. „Und natürlich haben Ukraine-Krieg, die Inflation und hohe Energiekosten die Kunden schwer verunsichert.“ Auch der Fachkräftemangel sei ein Thema, so Pfaff weiter, „aber die Auftragsbücher sind gut gefüllt, und die Begeisterung für das Caravaning ist unverändert groß“.
Fahrgestellmangel bremst die Branche aus
Den Optimismus, dass sich die Absatzlage schon bald wieder positiver darstellen dürfte, teilt auch Wolfgang Speck, Chef der Knaus-Tabbert-Gruppe. Im Gegensatz zu den Zulassungszahlen hat das Unternehmen aus dem bayerischen Jandelsbrunn in der Produktion ein sehr starkes letztes Quartal 2022 hingelegt. „Wir haben mächtig Gas gegeben. Die Fahrzeuge sind jetzt im Handel und wir erwarten ein entsprechendes Zulassungsplus in den ersten Monaten dieses Jahres“, erklärt der Pfälzer, der seit 13 Jahren der CEO von Knaus-Tabbert ist und erstmals im vergangenen Jahr die Marke von einer Milliarde Euro Konzernumsatz knackte. Tendenz weiter steigend.
Und wenn es noch eines Beweises für den zuversichtlichen Ausblick bedarf, muss man nur in die überfüllten Messehallen der Stuttgarter CMT schauen. Das Kundeninteresse ist ungebrochen. Die Freizeitmesse mit dem Schwerpunkt Caravaning, die zu Jahresbeginn als Stimmungsbarometer gilt, belegt, dass offensichtlich auch das deutlich gestiegene Preisniveau der Fahrzeuge nicht wirklich abschreckt. 1200 ausgestellte Freizeitfahrzeuge bieten dem Publikum einen exzellenten Überblick über die Vielfalt der Caravaningszene: Dennoch sind echte Produktpremieren eher dünn gesät, weil der Fahrgestellmangel einigen Planungen einen Strich durch die Rechnung machte.
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Der ID Buzz, hier mit kleinem Wohnwagen, bei der CMT in Stuttgart.
© Quelle: IMAGO/Eibner
Zu den interessantesten Neuheiten gehört sicherlich der erste Camperausbau für den vollelektrischen ID Buzz. Alpincamper, ein kleiner Hersteller und Spezialist für Minicamper aus dem oberbayerischen Lenggries, verwandelt den E‑Bulli in ein hippes Fahrzeug für das boomende „Vanlife“. Während Volkswagen mit einem eigenen California-Nachfolger unter Strom noch auf den langen Radstand bis voraussichtlich 2025 warten will, ist der 4,71 Meter lange Alpincamper mit einer zum Bett umbaubaren Längssitzbank und einer kleinen Küchenzeile bestenfalls eine Sache für zwei. Mit einem 150 kW/204 PS starken Elektromotor und einer 77-kW-Batterie, die realistisch Reichweiten von 300 bis 350 Kilometern ermöglichen sollte, muss allerdings mit einem stattlichen Preis von 80.000 bis 85.000 Euro kalkuliert werden, da ja der ID Buzz allein mit knapp 65.000 Euro zu Buche schlägt.
Auf Campingtour mit dem E‑Bike
Zumindest als Teilzeitstromer kann es auch im VW T7 Multivan auf Reisen gehen. Space-Camper, der größte externe Ausbaupartner von Volkswagen, hat ein neues modulares Raumkonzept erstellt, das sich jeder nach eigenem Gusto zusammenstellen kann. Noch innovativer ist das Space-Camper-Bike, mit dem die Tüftler aus Darmstadt ihr Konzept eines universellen Fahrzeugs für Freizeit und Beruf auf zwei Räder stellen. Stauraum, ein Bett, ein Tisch und ein Dach überm Kopf – das waren die Vorgaben für Ben Wawra, den Geschäftsführer, Mitgründer und Entwickler bei Space-Camper, die Idee eines Fahrradcampers umzusetzen. Das ab Sommer 2023 angebotene E‑Bike basiert auf dem Lastenrad Load 75 von Riese & Müller – Markus Riese ist sowohl Gründungsmitglied von Riese & Müller als auch von Space-Camper – und wird mit flexibler Liegefläche und Zeltdach ab rund 10.000 Euro zu haben sein.
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Für Minimalisten: unterwegs mit E‑Bike und Zelt von Space-Camper.
© Quelle: Space Camper
Die Marke Hannes-Camper hat den Schritt vom Vermieter zum Hersteller gewagt und präsentiert ihre beiden Eigenkonstruktionen Hannes und Großer Hannes auf Citroen-Jumper-Basis. Sie werden zu Preisen ab knapp unter 80.000 Euro ausschließlich mit einer All-in-Ausstattung angeboten, die vom Naviceiver bis zur Anhängerkupplung wirklich alles an Bord hat.
Spektrum an Basisfahrzeugen wird immer breiter
Von den großen Herstellern präsentiert einzig Dethleffs ein wirklich neues Modell. Der nur 2,20 Meter breite Teilintegrierte Globebus Go wird auf Ford-Transit-Basis in zwei Varianten mit 5,99 und 6,69 Metern Länge angeboten und startet mit einem Grundpreis ab 57.000 Euro. Auch LMC präsentiert einen Transit-Ausbau und erweitert die Innovan-Baureihe um ein Sechs-Meter-Reisemobil mit Längsbetten. Der Innovan C592 ist allerdings noch eine Studie, soll aber zur Jahresmitte fertig werden. Immerhin beweisen beide Marken aus der Erwin-Hymer-Gruppe (EHG), dass wieder mehr Markeneigenständigkeit möglich ist, nachdem der bisherige Dethleffs-Chef Alexander Leopold zum EHG-CEO aufgestiegen ist.
Bei Ahorn, dem auf Renault-Ausbauten spezialisierten Hersteller aus Speyer, ist das zweite Produkt aus der Kooperation mit dem Fahrzeugveredler Irmscher entstanden: eine sportliche Sonderedition des Van 620 auf Master-Basis mit einem Komplettpreis ab 80.000 Euro. Und für extrovertierte Leute, für die genug nie genug ist, setzt Tischer, der Spezialist für Huckepackcamper, seine Wohnkabine auf einen Jeep Gladiator. Kostenpunkt: 87.000 Euro für den Jeep-Pick-up und 52.000 Euro für die Wohnkabine.
Der Jeep als Basisfahrzeug mag etwas abgedreht sein, eine Erkenntnis – ebenfalls eine Folge der Lieferprobleme – ist allerdings offenkundig: Das Spektrum an Basisfahrzeugen wird immer breiter. Auf der Suche nach Ducato-Alternativen tauchen immer mehr Mercedes Sprinter, Ford Transits oder – trotz Baugleichheit mit Fiat - auch Citroën Jumper auf. Selbst der VW Crafter ist jetzt, zum Beispiel bei Hobby als einem der ganz Großen der Caravaningbranche, verstärkt gefragt. Und dass sich die Knaus-Tabbert-Gruppe als weiteres Schwergewicht unter den Herstellern nunmehr auch als externer Ausbauer des VW T6.1 betätigt, hat viele schon auf dem Caravansalon in Düsseldorf überrascht.
Kompakte Fahrzeuge im Fokus
Beide Bulli-Varianten warten dabei mit innovativen Ideen auf: Der Tourer Van ist ein kompakter Teilintegrierter mit einer neuartigen, variablen Bad-Bett-Lösung ab rund 66.000 Euro. Der Tourer CUV, irgendwo zwischen Campingbus und Teilintegriertem angesiedelt, besitzt als markantes Erkennungsmerkmal ein über die gesamte Fahrzeuglänge parallel nach oben fahrendes Hubdach, dessen Mechanik noch einmal verbessert wurde. Dennoch handelt es sich noch immer um eine CUVision genannte Studie. Die Serienversion soll aber noch im ersten Halbjahr fertig sein – vermutlich mit einem Startpreis zwischen 75.000 und 80.000 Euro.
Die meisten anderen Reisemobilhersteller beschränken sich darauf, ihre Düsseldorfer Neuheiten ein weiteres Mal in den Mittelpunkt zu rücken. Das gilt für Hymer mit dem außergewöhnlichen Allrad-Sprinter-Ausbau Venture S samt Heckbalkon und Aufstelldach mit Panoramablick für stolze 225.000 Euro ebenso wie für das Neuheitenfeuerwerk bei Bürstner. Das reicht vom Lyseo Gallery mit aufblasbarem Alkoven bis zum Urban Camper Playa auf Renault-Trafic-Basis.
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Der Hymer Venture mit Heckbalkon und Aufstelldach.
© Quelle: Hymer
Das Gros der Ausstellungsobjekte bedient natürlich, ob Neuheit oder nicht, den anhaltenden Trend bei der potenziellen Kundschaft: Kompakte Fahrzeuge sind gefragt. Kastenwagen, Vans, Campingbusse und immer häufiger einfache Campervarianten ohne Toilette oder noch spartanischer ausgestattete Hochdachkombis als Freizeitmobil – wie etwa ein wirklich schicker Caddy-Ausbau von Reimo. Das mag freilich auch eine Folge der inflationsbedingt immens gestiegenen Preise sein. Schließlich sind selbst halbwegs ordentlich bestückte Kastenwagen kaum noch unter 50.000 Euro zu haben. Aber wie schon erwähnt: Der Begeisterung tut das keinen Abbruch.