Fast wie ein Blick in die Kathedrale Notre-Dame
Ein Modell zeigt, wie die Notre-Dame bei ihrer Wiedereröffnung aussehen soll.
© Quelle: omaric Tourraint Etablissement public Rebatir Notre-Dame de Paris
Der steinerne Engelskopf zeigt keinerlei Spuren eines Sturzes aus 33 Metern Höhe. Auch den Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame, in der sich vier Exemplare von ihm befanden, scheint er unbeschadet überstanden zu haben. Zugegeben, es handelt sich hier um eine Kopie, die nie von irgendwo heruntergefallen ist, die jedoch den aktuellen Originalen absolut gleicht, versichert Lisa Bergugnat, verantwortlich für das kulturelle Programm der Ausstellung „Notre-Dame von Paris: im Herzen der Baustelle“, die am vergangenen Dienstag unterhalb des Vorplatzes der Kathedrale eröffnet hat.
Eine Nachbildung der Engelsköpfe, von denen vier in der Notre-Dame waren.
© Quelle: Romaric Tourraint Etablissement public Rebatir Notre-Dame de Paris
Die kostenlos zugängliche Schau zeigt Elemente wie jenen Engelskopf aus nächster Nähe, von dem vor der Feuerkatastrophe am 15. April 2019 vier Exemplare auf dem Gewölbe des Querschiffs prangten. Über ein imposantes Holzmodell verschafft sie Besuchern zudem einen Gesamtblick auf das Pariser Wahrzeichen.
Warten auf die Wiedereröffnung Notre-Dames verkürzen
Es ist auch ein Weg, um das Warten auf die Wiedereröffnung zu verkürzen. Das gotische Meisterwerk aus dem zwölften Jahrhundert werde in nur fünf Jahren „noch schöner als vorher“ aufgebaut sein, versprach Präsident Emmanuel Macron bereits am Tag nach dem Brand, der viele Menschen in Frankreich und darüber hinaus zutiefst erschüttert hatte. In der Folge kamen Spenden in Höhe von 846 Millionen Euro aus 150 Ländern zusammen.
Vielen Experten erschien der von oben vorgegebene enge Zeitplan unmöglich einzuhalten, zumal die Baustelle durch hohe Bleibelastung und die Corona-Pandemie zeitweise zum Stillstand kam und die Stabilisierung des Bauwerks zwei Jahre in Anspruch nahm.
Öffnung des Kirchenbaus im Dezember 2024
Nun bestätigte die staatliche Einrichtung, die eigens für die Koordinierung der Aufbauarbeiten gegründet wurde, eine komplette Öffnung des Kirchenbaus im Dezember 2024, also nach den Olympischen Spielen, die Frankreichs Hauptstadt im Sommer nächsten Jahres ausrichtet. „Die klare Zeitvorgabe schuf eine Dynamik“, sagt Philippe Jost, Vizegeneraldirektor der Wiederaufbaubehörde. „Wenn man ein Ziel vor Augen hat, geht es auch schneller.“ Im November dieses Jahres werde der damals zerstörte Spitzturm in 93 Metern Höhe wieder angebracht und „wie ein Werk von Christo“ nach und nach enthüllt.
Der sogenannte Wald, der Dachstuhl mit dem Holz von Eichen aus dem 13. Jahrhundert, fiel ebenfalls den Flammen zum Opfer. Die Ausstellung präsentiert nun unter anderem verkohlte Originalteile, ein Kirchenfenster sowie einige der insgesamt 7952 Pfeifen der großen Hauptorgel. Diese blieb vom Feuer verschont und war auch von den Löscharbeiten kaum betroffen, doch befand sich auf ihr massenweise Bleistaub. Für eine intensive Reinigung wurde das Instrument komplett auseinandergebaut. Auch geht derzeit die Reinigung der Glasfenster und Wandgemälde im Inneren des Gebäudes vonstatten.
Die „Helden der Baustelle“ im Fokus
In der Schau werden in acht thematischen Abschnitten verschiedene Aspekte der Restaurierungsarbeiten sowie die damit betrauten Berufe vorgestellt. Frauen und Männer, die Jost als „Helden der Baustelle“ bezeichnet, erklären in kurzen Videoporträts ihre konkreten Tätigkeiten. Mehr als 10.000 Menschen, von Architekten über Archäologen bis zu Bauarbeitern, seien hier insgesamt zugange. „Sie verfügen über ein einzigartiges Können und Wissen, das weitergegeben werden soll.“ Dahinter stehe auch die Hoffnung, junge Menschen für diese oftmals wenig bekannten Metiers zu interessieren, sagt der Verantwortliche: „Es werden Arbeitskräfte gesucht, und dafür ist es wichtig zu zeigen, wie spannend diese Aufgaben sind.“ Deshalb sollen besonders viele Schulklassen in die Ausstellung kommen.
Auch die Wissenschaftler kommen zu Wort, die sich im nationalen Forschungsinstitut CNRS zu einer eigenen Arbeitsgruppe rund um Notre-Dame zusammengeschlossen haben. „Fünf Jahre lang erlaubt ihnen die Baustelle, Forschungen durchzuführen, die zuvor nicht möglich waren, weil die Kathedrale immer geöffnet war“, erklärt Lisa Bergugnat.
Ansturm nach Wiedereröffnung erwartet
Schon jetzt stellt man sich auf einen Ansturm in den Monaten nach der Wiedereröffnung des Wahrzeichens in knapp zwei Jahren ein. „Vor dem Brand kamen bis zu zwölf Millionen Besucher im Jahr, aber dann werden es wohl eher 15 Millionen sein“, sagt Jost. Das erlittene Drama wird die Anziehungskraft von Notre-Dame nur noch gestärkt haben.