Geschenktes Deutschlandticket für Autokäufer? Union reagiert mit Spott auf Wissing-Vorschlag
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/5K5SDBRSBVC27NUDVPFXCCYNSQ.jpg)
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei einer Pressekonferenz zur bevorstehenden Einführung des Deutschlandtickets im Hauptbahnhof Berlin.
© Quelle: IMAGO/Chris Emil Janßen
Wieder ist ein Überlegung des Bundesverkehrsministers auf wenig Gegenliebe gestoßen: Volker Wissing hatte vorgeschlagen, dass Autohersteller und ‑verkäufer ihren Kundinnen und Kunden ein Deutschlandticket schenken sollen. „Die Idee klingt ein wenig wie Klamauk“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Ulrich Lange, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es klingt, als müsse er sein Deutschlandticket wie Sauerbier anbieten.“ Verwunderlich sei auch, dass ausgerechnet ein FDP-Minister den Menschen ein Angebot aufzwingen wolle.
CDU sieht keinen Sinn in dem Vorschlag
Wissing will mit der Idee offenbar erleichtern, verschiedene Verkehrsmittel zu nutzen – und den Menschen Wahlfreiheit lassen. An den Erfolg des Modells glaubt Lange nicht: „Ein Deutschlandticket als Geschenk zum Autokauf wird nicht dazu führen, dass die Käufer stärker die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Wenn sie ernsthaftes Interesse daran hätten, künftig mehr Bus und Bahn zu fahren, würden sie sich das Ticket unabhängig vom Autokauf selbst anschaffen.“ Wissings Vorschlag koste Autoverkäufer unnötig Geld, ohne einen echten Nutzen zu haben.
Die Koalitionspartner der FDP reagieren zurückhaltend auf die Idee. Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte dem RND: „Jeder Verkehrsminister kann und soll natürlich Ideen einbringen, es kommt aber darauf an, dass er sie auch umsetzt. Wissing sollte nun mit den Autobauern sprechen, ob sie ein Deutschlandticket für Kundinnen und Kunden finanzieren wollen.“ Das Deutschlandticket sei aber so gut, dass es sich Menschen mit und ohne Auto ohnehin kaufen würden. Wichtiger sei es allerdings, die Verknüpfung von Ticket und Sharing voranzutreiben, so Gelbhaar. Die SPD-Verkehrsexpertin Dorothee Martin will den Vorschlag gar nicht erst kommentieren.
Autoverband will sich keine Vorgaben machen lassen
Thomas Lutze, Sprecher für Verkehrspolitik der Linken-Fraktion im Bundestag, hält die Idee für „nicht hilfreich“. Wer sich ein Auto für 45.000 Euro leisten könne, der könne auch ein Ticket für 49 Euro bezahlen, sagte er dem RND. „Letztendlich soll der Vorschlag wieder den Autokauf fördern. Auch wenn sich wahrscheinlich niemand deshalb einen Wagen kaufen würde.“ Es gebe zwar Menschen, die sich gerade so ein Auto leisten könnten und dann kein Geld mehr für den Nahverkehr hätten, diese müsse man aber anderweitig unterstützen.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) will sich vom Verkehrsminister in Sachen Deutschlandticket keine Vorgaben machen lassen. „Grundsätzlich gilt: Preis- und Produktgestaltung sind Unternehmensentscheidungen“, sagte eine VDA-Sprecherin dem RND. „Die Politik ist gefragt, bezahlbare Alternativen zu schaffen und die Voraussetzungen für die Nutzung aller Mobilitätsangebote zu verbessern.“ Die deutschen Automobilkonzerne VW, Mercedes-Benz und BMW reagierten nicht auf eine Anfrage.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EZHJQQG67RD4LOGG3ATC7MQUTQ.jpg)
Hauptstadt-Radar
Der Newsletter mit persönlichen Eindrücken und Hintergründen aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Erneut Streit um Ausgestaltung des Tickets
Derweil ist wenige Tage vor der Einführung des Tickets am 1. Mai erneut ein Streit in der Koalition über die Ausgestaltung des Tickets entbrannt. So dringen die Grünen nach RND-Informationen darauf, Kindern bis 14 Jahren eine kostenlose Mitfahrt bei ihren Eltern zu ermöglichen, wenn diese ein Deutschlandticket haben. In der Grünen-Fraktion heißt es, eine Mitnahmeregelung für Kinder bis 14 Jahre gebe es bereits bei vielen Monatstickets. „Es wäre nur fair, sie auch ins Deutschlandticket-System zu überführen.“ SPD und Grüne pochen intern zudem auf ein bundesweite Lösung für Semestertickets.
10 Prozent der Bevölkerung haben Deutschlandticket bereits gekauft
Das lange diskutierte Deutschlandticket für den Nah- und Regionalverkehr steht vor der Einführung.
© Quelle: dpa
Bislang gibt es für Studentinnen und Studenten Semestertickets, deren Gültigkeit auf Regionen begrenzt ist. Wie viel sie kosten, verhandelt in der Regel der Allgemeine Studentenausschuss einer Uni mit dem jeweiligen Verkehrsverbund vor Ort. Das Semesterticket bezahlen meist alle Studierenden über den Semesterbeitrag, auch wenn sie den Nahverkehr nicht nutzen wollen. Durch dieses Solidarmodell sind den Verkehrsverbünden Einnahmen garantiert, und sie können günstige Semestertickets anbieten.
Das 49-Euro-Ticket müssten Studierende eigentlich zusätzlich kaufen. Um sie finanziell zu entlasten, hatte der Sprecher der Länderverkehrsminister, Oliver Krischer (Grüne) aus Nordrhein-Westfalen, eine „Upgrade-Lösung“ angekündigt. Studierende, die mit ihrem Ticket den Nahverkehr deutschlandweit nutzen wollen, müssen dann nur noch den Differenzbetrag zwischen Semesterticket und Deutschlandticket zahlen. Wie das umgesetzt wird, müssen die Hochschulstandorte aber mit den Verkehrsverbünden aushandeln. Die Grünen schlagen dem Vernehmen nach vor, das Deutschlandticket in Semestertickets zu integrieren und solidarisch zu finanzieren. „Beides ließe sich bundesgesetzlich regeln – Volker Wissing muss jetzt aktiv werden“, heißt es in Grünen-Kreisen.