„Klingt ein wenig wie Klamauk“

Geschenktes Deutschlandticket für Autokäufer? Union reagiert mit Spott auf Wissing-Vorschlag

Verkehrs­minister Volker Wissing (FDP) bei einer Pressekonferenz zur bevorstehenden Einführung des Deutschland­tickets im Hauptbahnhof Berlin.

Verkehrs­minister Volker Wissing (FDP) bei einer Pressekonferenz zur bevorstehenden Einführung des Deutschland­tickets im Hauptbahnhof Berlin.

Wieder ist ein Überlegung des Bundes­verkehrs­ministers auf wenig Gegenliebe gestoßen: Volker Wissing hatte vorgeschlagen, dass Autohersteller und ‑verkäufer ihren Kundinnen und Kunden ein Deutschland­ticket schenken sollen. „Die Idee klingt ein wenig wie Klamauk“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Ulrich Lange, dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). „Es klingt, als müsse er sein Deutschland­ticket wie Sauerbier anbieten.“ Verwunderlich sei auch, dass ausgerechnet ein FDP-Minister den Menschen ein Angebot aufzwingen wolle.

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CDU sieht keinen Sinn in dem Vorschlag

Wissing will mit der Idee offenbar erleichtern, verschiedene Verkehrsmittel zu nutzen – und den Menschen Wahlfreiheit lassen. An den Erfolg des Modells glaubt Lange nicht: „Ein Deutschland­ticket als Geschenk zum Autokauf wird nicht dazu führen, dass die Käufer stärker die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Wenn sie ernsthaftes Interesse daran hätten, künftig mehr Bus und Bahn zu fahren, würden sie sich das Ticket unabhängig vom Autokauf selbst anschaffen.“ Wissings Vorschlag koste Autoverkäufer unnötig Geld, ohne einen echten Nutzen zu haben.

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Die Koalitions­partner der FDP reagieren zurückhaltend auf die Idee. Stefan Gelbhaar, verkehrs­politischer Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion, sagte dem RND: „Jeder Verkehrs­minister kann und soll natürlich Ideen einbringen, es kommt aber darauf an, dass er sie auch umsetzt. Wissing sollte nun mit den Autobauern sprechen, ob sie ein Deutschland­ticket für Kundinnen und Kunden finanzieren wollen.“ Das Deutschland­ticket sei aber so gut, dass es sich Menschen mit und ohne Auto ohnehin kaufen würden. Wichtiger sei es allerdings, die Verknüpfung von Ticket und Sharing voranzutreiben, so Gelbhaar. Die SPD-Verkehrs­expertin Dorothee Martin will den Vorschlag gar nicht erst kommentieren.

Autoverband will sich keine Vorgaben machen lassen

Thomas Lutze, Sprecher für Verkehrs­politik der Linken-Fraktion im Bundestag, hält die Idee für „nicht hilfreich“. Wer sich ein Auto für 45.000 Euro leisten könne, der könne auch ein Ticket für 49 Euro bezahlen, sagte er dem RND. „Letztendlich soll der Vorschlag wieder den Autokauf fördern. Auch wenn sich wahrscheinlich niemand deshalb einen Wagen kaufen würde.“ Es gebe zwar Menschen, die sich gerade so ein Auto leisten könnten und dann kein Geld mehr für den Nahverkehr hätten, diese müsse man aber anderweitig unterstützen.

Der Verband der Automobil­industrie (VDA) will sich vom Verkehrs­minister in Sachen Deutschland­ticket keine Vorgaben machen lassen. „Grundsätzlich gilt: Preis- und Produkt­gestaltung sind Unternehmens­entscheidungen“, sagte eine VDA-Sprecherin dem RND. „Die Politik ist gefragt, bezahlbare Alternativen zu schaffen und die Voraussetzungen für die Nutzung aller Mobilitäts­angebote zu verbessern.“ Die deutschen Automobil­konzerne VW, Mercedes-Benz und BMW reagierten nicht auf eine Anfrage.

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Erneut Streit um Ausgestaltung des Tickets

Derweil ist wenige Tage vor der Einführung des Tickets am 1. Mai erneut ein Streit in der Koalition über die Ausgestaltung des Tickets entbrannt. So dringen die Grünen nach RND-Informationen darauf, Kindern bis 14 Jahren eine kostenlose Mitfahrt bei ihren Eltern zu ermöglichen, wenn diese ein Deutschland­ticket haben. In der Grünen-Fraktion heißt es, eine Mitnahme­regelung für Kinder bis 14 Jahre gebe es bereits bei vielen Monatstickets. „Es wäre nur fair, sie auch ins Deutschland­ticket-System zu überführen.“ SPD und Grüne pochen intern zudem auf ein bundesweite Lösung für Semester­tickets.

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10 Prozent der Bevölkerung haben Deutschlandticket bereits gekauft
Verkaufsstart: Das Deutschlandticket gibt es bereits, in der Region Hannover allerdings häufen sich die Probleme.

Das lange diskutierte Deutschland­ticket für den Nah- und Regional­verkehr steht vor der Einführung.

Bislang gibt es für Studentinnen und Studenten Semester­tickets, deren Gültigkeit auf Regionen begrenzt ist. Wie viel sie kosten, verhandelt in der Regel der Allgemeine Studenten­ausschuss einer Uni mit dem jeweiligen Verkehrs­verbund vor Ort. Das Semester­ticket bezahlen meist alle Studierenden über den Semester­beitrag, auch wenn sie den Nahverkehr nicht nutzen wollen. Durch dieses Solidar­modell sind den Verkehrs­­verbünden Einnahmen garantiert, und sie können günstige Semester­tickets anbieten.

Das 49-Euro-Ticket müssten Studierende eigentlich zusätzlich kaufen. Um sie finanziell zu entlasten, hatte der Sprecher der Länder­verkehrs­minister, Oliver Krischer (Grüne) aus Nordrhein-Westfalen, eine „Upgrade-Lösung“ angekündigt. Studierende, die mit ihrem Ticket den Nahverkehr deutschland­weit nutzen wollen, müssen dann nur noch den Differenz­betrag zwischen Semester­ticket und Deutschland­ticket zahlen. Wie das umgesetzt wird, müssen die Hochschul­standorte aber mit den Verkehrs­verbünden aushandeln. Die Grünen schlagen dem Vernehmen nach vor, das Deutschland­ticket in Semester­tickets zu integrieren und solidarisch zu finanzieren. „Beides ließe sich bundes­gesetzlich regeln – Volker Wissing muss jetzt aktiv werden“, heißt es in Grünen-Kreisen.

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