„An Dreistigkeit kaum zu überbieten“: Ärzteverband kritisiert Rufe nach Ende aller Corona-Maßnahmen scharf
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Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundes
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Nachdem Justizminister Marco Buschmann die Aufhebung der letzten Corona-Schutzmaßnahmen gefordert hat, kommt scharfe Kritik von Deutschlands größter Ärzteorganisation dem Marburger Bund. „Die Aufhebung aller Maßnahmen ist zutiefst unsolidarisch mit dem Klinikpersonal, das in der Pandemie viel geleistet hat und gerade wieder die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat“, sagte die Verbandsvorsitzende Susanne Johna dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Vor weniger als einer Woche seien das Krankenhauspersonal, die Pflegekräfte und die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen von der Politik noch angefleht worden, mehr zu arbeiten und selbst über Weihnachten wegen der Infektionswelle Überstunden zu machen, sagte Johna. „Trotz der hohen Belastung nun zu fordern, alle Maßnahmen umgehend aufzuheben, ist an Dreistigkeit gegenüber dem Gesundheitspersonal kaum zu überbieten.“
Das falsche Signal
Die Vorsitzende des Marburger Bundes wies darauf hin, dass Corona-Maßnahmen nicht wegen der Pandemie selbst, sondern wegen der enormen Belastungen für das Gesundheitswesen in Deutschland eingeführt wurden. Nun sei die Corona-bedingte Belastung im Gesundheitswesen zwar zurückgegangen, aber auch derzeit sei ein großer Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen zum Beispiel an Influenza oder dem Coronavirus erkrankt. „Es ärgert mich sehr, dass die Situation des Klinikpersonals und der niedergelassenen Ärzteschaft ausgeblendet wird, nur weil manch einer unter keinen Umständen mehr eine Maske tragen will.“ Aus juristischer Perspektive verstehe sie die Diskussion, es sei aber jetzt das falsche Signal.
Hintergrund der Debatte um die Aufhebung der verbliebenen Corona-Maßnahmen sind die jüngsten Einschätzungen der Experten Christian Drosten und Christian Karagiannidis. Sie gehen davon aus, dass die Pandemie in Deutschland nach dem Winter auslaufen werde und die Immunität in der Bevölkerung so groß sein wird, dass Deutschland einen endemischen Zustand erreicht. Die Medizinerin Johna stimmt dieser Einschätzung zu und betont, „der Winter ist noch lange nicht vorbei“ und verweist auf die erneut starke Belastung des Gesundheitswesens, auch durch verschiedene virale Erkrankungen.
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© Quelle: dpa
Warnung vor politischer Fehlentscheidung „auf dem Rücken des Gesundheitspersonals“
Die Maske reduziert auch das Risiko einer Ansteckung mit anderen viralen Erkrankungen, betont Johna, und kann die hohe Infektionswelle abmildern. „Ich warne eindringlich davor, hier eine politische Fehlentscheidung auf dem Rücken des Gesundheitspersonals zu treffen.“ Bei einer Aufhebung aller Maßnahmen würden auch die letzten, die noch freiwillig eine Maske tragen, darauf verzichten und noch nachlässiger werden. „Es werden sich weniger Menschen testen, bevor sie gefährdete Personen besuchen. Gerade zu Silvester, wo viele Menschen zusammenkommen, bereitet mir das große Sorgen.“