Gemeinsame Lateinamerika-Reise

Baerbock und Heil wollen Pflegekräfte aus Brasilien nach Deutschland holen

Außenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil werben für Deutschland als Standort mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen.

Außenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil werben für Deutschland als Standort mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen.

Artikel anhören • 6 Minuten

Brasília. Außenministerin Annalena Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil sehen gute Chancen, mehr qualifizierte Pflegekräfte aus Brasilien anzuwerben. „Brasilianische Pflegekräfte und kolumbianische Elektriker finden in Deutschland bereits offene Arme. Diese Partnerschaft wollen wir ausbauen“, sagte Baerbock am Montag zum Auftakt einer gemeinsamen Lateinamerika-Reise mit Heil in der Hauptstadt Brasília. Zusammen warben sie für Deutschland als Standort mit guten Arbeits- und Lebensbedingungen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Aktuell weniger als 200 brasilianische Pflegekräfte in Deutschland

Brasilien ist das größte Land Südamerikas und dort auch wichtigster deutscher Handelspartner. Aktuell arbeiten nach Heils Angaben weniger als 200 brasilianische Pflegekräfte in Deutschland. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hält demnach die Anwerbung von bis zu 700 Pflegekräften pro Jahr für möglich. In Brasilien gibt es laut des Berufsverbands Cofen 2,5 Millionen Krankenpfleger. Die Arbeitslosenquote in dem Sektor lag 2021 bei mehr als zehn Prozent.

Die BA rekrutiert seit 2018 brasilianische Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt. Derzeit betreut sie nach eigenen Angaben 374 Bewerber aus Pflegeberufen, 43 aus technischen und Handwerksberufen sowie 42 aus Ingenieur- und IT-Berufen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Heil für faire Arbeits- und Lohnbedingungen

In der Pflege sei der Bedarf an Fachkräften in Deutschland groß, während es in Brasilien einen Überhang an gut ausgebildeten Kräften gebe, sagte der Minister. Heil warb in einer Ausbildungsstätte der Katholischen Universität Brasília (UCB) um Zuwanderer. Arbeits- und Lohnbedingungen in der Pflege müssten verbessert werden, darin würden sich beide Länder gleichen. Pro-Rektorin Adriana Pelizzari zeigte sich offen für einen Austausch von Studenten und Zusammenarbeit in der Forschung. Heil sagte, die Universität Göttingen habe daran Interesse. In Deutschland suche man händeringend Pflegekräfte.

Pflegereform beschlossen: Entlastungen und höhere Beiträge

Angesichts einer immer größeren Kostenwelle für die Pflege sollen Entlastungen für Pflegebedürftige kommen.

Die UCB ist die zweitgrößte Hochschule der brasilianischen Hauptstadt. In einem vierjährigen Studiengang werden Pflegekräfte mit Bachelor-Abschluss ausgebildet. Die Bundesagentur für Arbeit hat mit der brasilianischen Pflegekammer Cofen hat die BA vor einem Jahr eine Absprache zur Vermittlung von Pflegefachkräften unterzeichnet. Darin stehen Regeln zur Bewerberauswahl, zum Vermittlungsprozess, zum Spracherwerb und zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen.

Heil unterzeichnete mit seinem brasilianischen Kollegen Luiz Marinho unter anderem eine Absichtserklärung für „faire Einwanderung“, deren Ziel es ist, vereinfachte Strukturen zu schaffen, um den Fachkräfteaustausch zu fördern.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, und der brasilianische Arbeitsminister Luis Marinho unterzeichnen eine gemeinsamen Erklärung zu Arbeitnehmerrechten, sozialer Verantwortung von Unternehmen und Lieferketten.

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, und der brasilianische Arbeitsminister Luis Marinho unterzeichnen eine gemeinsamen Erklärung zu Arbeitnehmerrechten, sozialer Verantwortung von Unternehmen und Lieferketten.

Kritik von Experten

Bei Experten stoßen die Pläne für die Anwerbung von Pflegekräften aus Brasilien auf Kritik. Der Ansatz verkenne die Realität, erklärte die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Mit der Anwerbung von Personal sei es nicht getan, auch die Integration der neuen Mitarbeitenden müsse besser gestaltet werden, bemängelte am Dienstag die Ruhrgebietskonferenz Pflege in Dortmund.

„Seit Jahrzehnten fliegen Bundesminister um die Welt und wecken überall große Erwartungen, die in der Realität platzen“, kritisierte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz in Dortmund. „2022 konnten nur 656 Pflegekräfte außerhalb der EU gewonnen werden. Davon kamen 34 professionell Pflegende aus Brasilien.“ Diese Fakten seien sehr ernüchternd. Die Planbarkeit der Beschäftigung sei weiterhin mangelhaft. Auch am Sprachniveau dürfe nicht gerüttelt werden.

Das Dilemma der Personalnot müsse in Deutschland gelöst werden, erklärte Brysch. Es sei davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren 500.000 Fachkräfte in Krankenhäusern, stationären und ambulanten Diensten in Rente gingen. Um auf Dauer einen fortlaufenden Zufluss von dringend benötigten Arbeitskräften aus dem Ausland zu gewährleisten, würden professionelle und tragfähige Unterstützungsstrukturen innerhalb und außerhalb der Einrichtungen und Dienste gebraucht.

Auch würden die beiden Minister die Herausforderungen für viele ausländische Pflegekräfte bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt verkennen. Denn oft litten im Ausland angeworbene Mitarbeiter an drastisch eingeschränkten Kompetenzen des Berufsstandes im Vergleich zu ihrem Heimatland. „Auch hier ändert sich in Deutschland nichts“, rügte Brysch.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Baerbock trifft brasilianische Umweltministerin Marina Silva

Zum Auftakt ihres sechstägigen Besuches in Brasilien, Kolumbien und Panama traf Baerbock die brasilianische Umweltministerin Marina Silva. Im Anschluss warnte die Grünen-Politikerin: „Wenn der Amazonas kippen würde, dann kippt das Weltklima.“ Deutschland unterstütze die brasilianische Kandidatur zur Ausrichtung der Weltklimakonferenz 30 im Jahr 2025, da das Land für den weltweiten Klimaschutz so zentral sei.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) im Gespräch mit der brasilianischen Umweltministerin Marina Silva. Baerbock sagte, Deutschland unterstütze die brasilianische Kandidatur zur Ausrichtung der Weltklimakonferenz 30 im Jahr 2025, da das Land für den weltweiten Klimaschutz so zentral sei.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) im Gespräch mit der brasilianischen Umweltministerin Marina Silva. Baerbock sagte, Deutschland unterstütze die brasilianische Kandidatur zur Ausrichtung der Weltklimakonferenz 30 im Jahr 2025, da das Land für den weltweiten Klimaschutz so zentral sei.

Das brasilianische Amazonasgebiet – etwa so groß wie Westeuropa – gilt als wichtiger CO2-Speicher. Als größter Regenwald der Welt mit einer Fläche von sieben Millionen Quadratkilometern bindet das Gebiet laut Naturschutzorganisation WWF zwölf Prozent des Süßwassers der Erde. Nach WWF-Angaben sind schon 20 Prozent der ursprünglichen Fläche zerstört. Bei 25 Prozent könnte demnach ein Kipppunkt erreicht werden, von dem an sich das Ökosystem nicht mehr regenerieren kann.

Außenministerin macht sich für gemeinsame Haltung gegen Russland stark

Baerbock setzte sich für eine gemeinsame Haltung gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ein. „Ich habe stark dafür geworben, dass wir gemeinsam unsere Zukunft in Frieden weltweit nur bauen können, wenn wir an einem Strang ziehen“, sagte sie. Daher sei es „so wichtig, dass Länder wie Brasilien in diesen so herausfordernden Zeiten auch ihre Stimme erheben für den Einsatz des Völkerrechts“.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Brasilien hat zwar als einziges Land der Brics-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) den russischen Krieg in allen Entschließungen der Vereinten Nationen verurteilt. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva stellt sich aber nicht klar an die Seite der Ukraine. Er macht sich für eine internationale Vermittlung durch einen „Friedensclub“ stark, zu dem auch Indien, Indonesien und China gehören sollen. Mit Kritik an der Militärhilfe der Nato und anderer Länder sorgte er für Irritationen.

RND/dpa

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken