Rote Linien sind „politische Frage“

Keine Kriegserklärung: Völkerrechtler verteidigt Baerbock und Pistorius

„Natürlich müssen die Nato-Staaten jetzt bei jedem Schritt überlegen, ob sie ihn wirklich gehen wollen“, sagt Matthias Herdegen, Völkerrechtler an der Universität Bonn. „Der völkerrechtliche Spielraum jedenfalls ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.“

„Natürlich müssen die Nato-Staaten jetzt bei jedem Schritt überlegen, ob sie ihn wirklich gehen wollen“, sagt Matthias Herdegen, Völkerrechtler an der Universität Bonn. „Der völkerrechtliche Spielraum jedenfalls ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.“

Außenministerin Annalena Baerbock hatte zu Beginn der Woche in einer Debatte des Europarats in Straßburg den Europäern geraten, weniger untereinander zu streiten und stattdessen die Menschenrechtsverletzungen durch Russland im Mittelpunkt zu sehen und hinzugefügt: „Denn wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht untereinander.“ Das russische Staatsfernsehen sprach daraufhin am Freitag von einer „Kriegserklärung“, ähnlich äußerten sich Vertreter der deutschen AfD.

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Matthias Herdegen von der Universität Bonn, einer der renommiertesten Völkerrechtler in Deutschland, winkt ab. Baerbock hätte „vielleicht alles etwas anders ausdrücken können“, völkerrechtlich aber werde damit nichts verändert. „Das war eindeutig eine Erklärung nach innen, im Kreis der befreundeten Mitglieder des Europarates, und keine Botschaft nach außen an den Kreml. Es ging um einen politischen Aufruf zu mehr Zusammenhalt im demokratischen Europa.“ Gegenüber Russland brauche sich die Bundesregierung dazu nicht zu erklären, sagte Herdegen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Gleiches gelte im Fall von Boris Pistorius, der am 17. Januar, noch vor seiner Vereidigung als Verteidigungsminister, vor Journalisten in Hannover von einer indirekten Beteiligung Deutschlands am Krieg gesprochen hatte. Auch dies sei nur „binnengerichtet“ gewesen. Weder die Äußerung Baerbocks noch die von Pistorius sei geeignet, „im Verhältnis zur Russischen Föderation einen anderen völkerrechtlichen Zustand herzustellen“. Kriegserklärungen wie in früheren Jahrhunderten, damals oft von Staatsoberhäuptern unterzeichnet, seien ohnehin „aus der völkerrechtlichen Praxis so gut wie verschwunden“.

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„Völkerrecht erlaubt Lieferung von Waffen“

Herdegen trat auch der Deutung entgegen, in der von Berlin beschlossenen Leopard-2-Lieferung liege eine deutsche Kriegserklärung an Russland. Auf die Details der Militärhilfen, auf Technik, Wirkungsweisen und Reichweiten der Waffen, komme es juristisch nicht an: „Das Völkerrecht erlaubt die Lieferung aller Waffen, die der Ukraine helfen können, Russlands Angriff abzuwehren. Dazu könnten also rechtlich gesehen über die Kampfpanzer hinaus auch noch weitere Systeme zur Verfügung gestellt werden, seien es Flugzeuge, Raketen oder Schiffe.“

Ob Russlands Staatschef Wladimir Putin irgendwann eine von ihm selbst festgelegte rote Linie überschritten sieht, ist laut Herdegen eine politische Frage, keine völkerrechtliche: „Natürlich müssen die Nato-Staaten jetzt bei jedem Schritt überlegen, ob sie ihn wirklich gehen wollen. Der völkerrechtliche Spielraum jedenfalls ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.“

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