Analyse zur Wahl

SPD punktet mit Bovenschulte – BiW profitieren von AfD-Aus

Die SPD von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (links) holte laut Umfrage auch bei den Wählenden unter 30 die meisten Stimmen.

Die SPD von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (links) holte laut Umfrage auch bei den Wählenden unter 30 die meisten Stimmen.

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Der Jubel bei der SPD war groß nach der Verkündung der ersten Prognose: Zugewinne bei der Bürgerschaftswahl in Bremen. Das ist etwas, was den Sozialdemokraten bei den vergangenen Landtagswahlen in Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen nicht gelungen ist. Lediglich im Saarland konnte die Partei im vergangenen Jahr zulegen. Doch woher kommen die Bremer SPD-Wähler? Wo haben die Grünen, die deutliche Verluste hinnehmen mussten, Stimmen eingebüßt? Und wie stark konnten die „Bürger in Wut“ (BiW) davon profitieren, dass die AfD nicht zur Wahl zugelassen war?

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Noch vor vier Jahren, bei der vergangenen Bürgerschaftswahl, hatte die SPD die Mehrheit an die Union Stimmen abgeben müssen. Damals erhielt der SPD-Spitzenkandidat Carsten Sieling keine guten Sympathiewerte. Wie deutlich ein Zugpferd damals fehlte, zeigte sich am Sonntag. In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen, für die in der Woche vor der Wahl mehr als 1600 Menschen und am Wahltag mehr als 11.000 Wählerinnen und Wähler befragt wurden, gaben 60 Prozent der Befragten an, Bovenschulte lieber als Regierungschef haben zu wollen. Der bisherige Bremer Bürgermeister erhielt zudem durchgängig bessere Werte bei Sympathie, Glaubwürdigkeit und Sachverstand.

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Auch bei der Zufriedenheit mit seiner bisherigen Arbeit konnte Bovenschulte bei den Wählerinnen und Wählern einen guten Eindruck hinterlassen. 76 Prozent bescheinigten ihm, einen guten Job zu machen. Sein bisheriges Regierungsbündnis stößt bei den Befragten dagegen auf wenig Gegenliebe. Nur 32 Prozent halten eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken, das derzeit den Senat anführt, für gut. 53 Prozent lehnen ein solches Bündnis dagegen ab.

CDU überzeugt bei Problemthemen

Erstaunen kann das Ergebnis auch, wenn man auf die Kompetenzen blickt, die die Wählerinnen und Wähler den Parteien zusprechen. Als wichtigstes Thema gaben 42 Prozent die Bildung im kleinsten deutschen Bundesland an. Hier überzeugte die Union (27 Prozent) mit Abstand vor der SPD (20 Prozent). Eine deutliche Mehrheit (84 Prozent) bescheinigte dem bisherigen Senat außerdem, zu wenig für Schule und Bildung getan zu haben.

Ebenfalls überzeugen kann die Union bei den Themen Arbeitslosigkeit, Kriminalitätsbekämpfung und Wirtschaft – bleibt aber jeweils knapp hinter der SPD zurück.

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Auch wenn die Bremer Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer nach der ersten Prognose betonte, dass der fehlende Rückenwind aus der Bundespolitik nicht geholfen habe: 78 Prozent der Befragten gaben an, dass die Politik im Bundesland selbst wichtiger für ihre Wahlentscheidung gewesen sei – nur 19 Prozent machten das bundespolitische Geschehen zum ausschlaggebenden Faktor für ihre Stimmverteilung.

Die Grünen aber schnitten in Kompetenzfragen in der Landespolitik in den meisten wichtigen Themenbereichen unterdurchschnittlich ab – ein Faktor, der die deutlichen Verluste der Partei im Vergleich zu 2019 erklären könnte. Lediglich beim Verkehr (21 Prozent) konnte die Partei mithalten, verlor aber im Vergleich zu 2019 sechs Punkte, während sie in Klimafragen (41 Prozent) gewohnt stark abschnitt.

SPD gewinnt bei älteren Wählenden

Vor allem beim Blick auf die Altersgruppen wird ein Unterschied zu anderen Landtagswahlen deutlich, der die CDU einige Punkte gekostet haben dürfte. Die Union, bei früheren Landtagswahlen bei den ältesten Wählern häufig am beliebtesten, verliert genau in dieser Gruppe gegenüber der SPD. Während die Sozialdemokraten fünf Punkte bei den Über-60-Jährigen zulegen kann, verliert die CDU eben diese fünf Punkte.

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Ungewohnt auch: Die Sozialdemokraten können auch in der Altersgruppe unter 30 die meisten Stimmen holen (23 Prozent). Oft dominierten hier zuletzt die Grünen, die in Bremen auf starke 19 Prozent kommen. Auch die Linke schneidet hier mit 17 Prozent am stärksten ab. Die Union holt in dieser Gruppe ihre wenigsten Stimmen (14 Prozent), die BiW hingegen kommen vor allem bei den Wählenden zwischen 45 und 59 gut an.

Besonders deutlich setzen sich die Sozialdemokraten zudem bei den Wählerinnen durch. Neun Punkte Vorsprung hat die SPD hier vor der Union, bei den Männern trennt beiden Parteien nur ein einziger Prozentpunkt. Die Grünen hingegen müssen bei den Frauen starke Verluste einstecken: Sie verlieren im Vergleich zu 2019 laut Forschungsgruppe Wahlen 8 Prozentpunkte. Deutlich auch: Die BiW werden häufiger von Männern (12 Prozent) als von Frauen gewählt (9 Prozent) und können bei beiden Geschlechtern stark zulegen.

Beim Bildungsniveau finden die BiW vor allem bei den Wählerinnen und Wählern mit Hauptschulabschluss oder mittlerer Reife Zuspruch (17 beziehungsweise 18 Prozent), nur wenige Stimmen können sie dagegen bei Menschen mit Hochschulabschluss holen. Ein Effekt, der sich bei Grünen und Linken umkehrt: Beide Parteien können vor allem bei den höheren Bildungsabschlüssen punkten.

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Die Sozialdemokraten können bei Menschen mit Hauptschulabschluss 43 Prozent der Stimmen einfahren, fast 20 Prozentpunkte weniger sind es bei Bürgerinnen und Bürgern mit Hochschulabschluss. Dafür schneidet die Partei in den Berufsgruppen gewohnt stark bei den Arbeitern ab (31 Prozent), dicht gefolgt allerdings von den BiW (20 Prozent).

Die „Bürger in Wut“ profitierten vor allem davon, dass die AfD nicht zur Wahl zugelassen war. Die AfD hatte bei der Wahl 2019 6,1 Prozent der Stimmen geholt. Die BiW verorten sich selbst zwischen CDU und AfD. Spitzenkandidat Piet Leidreiter führte das Ergebnis seiner Partei auf eine gute Realpolitik und ein eigenes konservatives Angebot zurück.

Die Partei konnte im Gegensatz zu allen anderen Parteien aber auch Nichtwähler für sich gewinnen. Sie ist die einzige Partei, die nach ersten Erkenntnissen nicht an diese Gruppe verloren hat. Das machte sich auch in der Wahlbeteiligung bemerkbar: Sie sank von 64,1 Prozent im Jahr 2019 auf nur noch 57 Prozent.

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