Revolution im Bundestag? Kommission empfiehlt neues Abstimmungsverfahren
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Ein Abgeordneter des Deutschen Bundestags wirft bei einer Abstimmung im April 2022 seine Stimmkarte in die Wahlurne.
© Quelle: IMAGO/photothek
Berlin. Im Bundestag bahnt sich eine Revolution an – beim Abstimmungsverfahren. Die bisherigen Stimmkarten könnten dabei durch einen Knopfdruck ersetzt werden. Es werde empfohlen, „elektronische Abstimmungen einzuführen, soweit dies die Arbeit des Parlamentes nicht beeinträchtigt, die Natur des Deutschen Bundestages als Arbeitsparlament nicht untergräbt und eine Verbesserung der Arbeitsabläufe bringt“, heißt es jedenfalls im Abschlussbericht der Wahlrechtskommission des Bundestags, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Homeoffice-Abstimmungen allerdings soll es nicht geben. Die Abstimmungen sollten auch in elektronischer Form „weiterhin ausschließlich im Plenarsaal stattfinden“, heißt es in dem Kommissionsbericht. Das Grundgesetz gehe davon aus, „dass die Entscheidungsfindung der Abgeordneten des Bundestages grundsätzlich in körperlicher Präsenz erfolge“. Zur „Aura“ des Bundestags gehöre es, dass „Abgeordneten zusammenfänden, miteinander kommunizierten und politische Auseinandersetzungen austrügen“.
Der 88-seitige Abschlussbericht der Wahlrechtskommission wird am Freitag an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) übergeben. Empfohlen wird darin mehrheitlich auch eine Verlängerung der Wahlperiode des Bundestags von vier auf fünf Jahre, so wie dies mittlerweile in fast allen Bundesländern außer Bremen gilt. Erklärtes Ziel ist, dem Bundestag mehr Zeit für seine Beratungen zu geben. Der Kommissionsvorsitzende Johannes Fechner (SPD) kann sich einen baldigen Beschluss vorstellen. „Ich bin optimistisch, dass wir noch in dieser Wahlperiode gemeinsam mit der Union die Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre beschließen können“, sagte er dem RND. „Betroffen wäre davon erstmals die nächste Legislaturperiode: Nach der Bundestagswahl 2025 würde im Bund das nächste Mal im Jahr 2030 gewählt.“
Seine Co-Vorsitzende Nina Warken (CDU) zeigte sich allerdings skeptisch: „Es gibt zwar große Einigkeit über die Verlängerung der Wahlperiode im Bund. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass dies noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird“, sagte Warken dem RND. „Eine isolierte Änderung an diesem Punkt ist nicht so gut vermittelbar. Man müsste sich da schon mehr vornehmen und ein Paket beschließen, zum Beispiel mit mehr Bürgerbeteiligung oder auch Regelungen zur Parität.“
Union verhindert Wählen mit 16
Keine Einigung gibt es beim Wahlalter, für dessen Änderung eine Zweidrittelmehrheit und damit die Zustimmung der Union nötig wäre. Die Koalitionsparteien würden gerne das Wahlalter für Bundestagswahlen von 18 auf 16 Jahre senken. „Leider haben sich CDU/CSU nicht bereit erklärt, die entsprechende Grundgesetzänderung mitzutragen – obwohl sie entsprechende Regelungen auf Landesebene mit getroffen haben“, sagt Fechner. „Offenkundig befürchtet die Union, dass die politische Konkurrenz bei jüngeren Wählern Vorteile hat“, sagt Fechner. Die Union führt dagegen laut Abschlussbericht ins Feld, ein niedrigeres Wahlalter öffne „Tür und Tor für eine Absenkung auch des Volljährigkeitsalters“. Dies würde den „Schutzraum der Kindheit“ einschränken.
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Bei der Erhöhung des Frauenanteils im Bundestag steht die Koalition sich selbst im Weg. „Die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen halten ein Paritätsgesetz für verfassungsrechtlich geboten“, heißt es in dem Abschlussbericht. Die FDP allerdings hat verfassungsrechtliche Bedenken. „Leider haben wir hier kein konkretes Ergebnis erzielt. Aber wir haben das Thema umfassend aufbereitet. Es ist für uns nicht vom Tisch – wir werden darüber weiter diskutieren und versuchen, die FDP noch zu überzeugen“, sagt Fechner. Die CDU zeigt sich bereit zu niedrigschwelligeren Festlegungen: „Denkbar wären ein Selbstverpflichtungskodex und finanzielle Anreize im Rahmen der Parteienfinanzierung. Außerdem könnten Mutterschutz- und Elterngeldregelungen die Hürden für Frauen senken, in die Politik zu gehen“, sagt Warken.
Als Erstes allerdings wird die Union gegen die Verkleinerung des Bundestags Klage einreichen – die hat die Koalition gegen den Protest von CDU/CSU bereits beschlossen.