Millionen Bewohner erneut isoliert

Corona-Zahlen gehen durch die Decke, immer neue Lockdowns: Zieht China die Null-Covid-Strategie wirklich durch?

Corona-Testzentrum in Peking.

Corona-Testzentrum in Peking.

Peking. Wie unzählige andere Wohnsiedlungen in der Pekinger Innenstadt sind auch die roten Mietskasernen von Anzhenli derzeit im Corona-Lockdown. Mannshohe Plastikplanen sperren die Anlage weiträumig ab. Auf ihnen prangen unzählige Propagandabanner, die die Anwohner in pädagogischem Tonfall zum Pandemiekampf aufrufen. Auf einem heißt es, ohne jegliche Ironie: „Sich nicht zu bewegen ist die beste Maßnahme!“ Kaum ein Ausspruch trifft das Empfinden der Pekinger derzeit besser.

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Denn erneut wird Chinas strikte Null-Covid-Politik auf eine harte Bewährungs­probe gestellt. Die Infektionszahlen sind dieser Tage so hoch wie seit über einem halben Jahr nicht mehr. Rund 8800 Fälle hat die nationale Gesundheits­kommission am Donnerstag publiziert. Was im internationalen Vergleich wenig klingt, bedeutet jedoch im Klartext: Wieder sind Millionen Bewohner und Bewohnerinnen im Lockdown.

Epizentrum: die wichtige Wirtschaftsmetropole Guangzhou

Das Corona-Epizentrum ist derzeit in der südchinesischen Metropole Guangzhou, die zu den wirtschaftlich wichtigsten Städten des Landes zählt und die ökonomisch angespannte Lage des Landes noch weiter verschärfen wird. In acht der insgesamt elf Bezirke Guangzhous wurden die Schulen bereits geschlossen, mindestens fünf Millionen Einwohner und Einwohnerinnen können derzeit ihre Wohnungen nicht verlassen

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Der Begriff Lockdown wird in der chinesischen Propaganda allerdings nicht mehr verwendet. „Statisches Management“ oder „Ruheperiode“ nennen die Staatszeitungen das kollektive Einschließen der Bevölkerung. Doch die Euphemismen machen die Bedingungen für die Bewohner und Bewohnerinnen nicht weniger grausam: Regelmäßig gelangen auf den sozialen Medien horrende Leidens­geschichten verzweifelter Bürger ans Tageslicht; etwa von Anwohnern, die sich aus dem Fenster stürzen oder in medizinischen Notfällen aufgrund der Ausgangssperren nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gelangen.

dpatopbilder - 04.11.2022, China, Peking: Xi Jinping (r), Präsident von China, empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Osthalle der Großen Halle des Volkes. Scholz reist zu seinem ersten Besuch als Kanzler nach China. Im Mittelpunkt der Visite stehen unter anderem die deutsch-chinesischen Beziehungen, die Wirtschaftskooperation, der Ukraine-Konflikt und die Taiwanfrage. Foto: Kay Nietfeld/dpa Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Scholz, Xi – und eine Botschaft an Putin

Der Bundeskanzler trägt in China eine ganze Liste von Kritik­punkten vor. Kein leichter Gang für einen Antritts­besuch. Staatspräsident Xi lässt Scholz aber überraschend eine wichtige Botschaft verkünden. Der Krieg führende Kremlchef Putin sollte genau hinhören.

88 Fälle in Peking: Inlandsflüge gestrichen

Die Hauptstadt Peking ist von einer solch akuten Krisensituation noch weit entfernt. Doch mit 88 wird auch im politischen Zentrum des Reichs der Mitte die derzeit höchste Infektionszahl seit über fünf Monaten verzeichnet. Zweistellige Zahlen reichen bereits aus, um Peking wie eine Festung abzuschließen: Über 80 Prozent der Inlandsflüge wurden am Donnerstag bis auf Weiteres gestrichen.

Die Einreisebedingungen für die chinesische Hauptstadt sind mittlerweile derart rigide, dass etliche Einwohner und Einwohnerinnen derzeit in anderen Landesteilen gestrandet sind – seit Wochen, manchmal auch Monaten. Denn nur wer sich mindestens sieben Tage in einer Stadt ohne einen einzigen Corona-Fall aufgehalten hat, wird wieder nach Peking zurückgelassen.

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Dabei ist die Covid-Landkarte Chinas längst voll von kleinen Infektions­ausbrüchen, die trotz der ständigen Lockdown­kaskaden immer wieder aufploppen. Ob die Behörden das Virus noch einmal unter Kontrolle bringen können, wird sich wohl in den nächsten Tagen entscheiden.

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Selbst Nationalisten äußern leise Kritik

Doch es ist offensichtlich, dass die Bewohner mit ihrer Geduld gegenüber den wirtschaftlich desaströsen Null-Covid-Maßnahmen am Ende sind. Selbst die nationalistischen Influencer in den sozialen Medien, die blind die Parteilinie propagieren, äußern mittlerweile leise Kritik: „Da wir das Land nicht für immer schließen können, dürfte die neue Covid-Strategie schon bald angepasst werden“, schreibt etwa Lu Kewen, der mit über 15 Millionen Followern als einer der populärsten Blogger gilt.

Seine Worte werden von einigen Beobachtern als zaghafter Versuch des Propaganda­apparats betrachtet, die öffentliche Meinung hin zu einer sukzessiven Öffnung des Landes zu drehen. Die Märkte scheinen ebenfalls darauf zu setzen, wie die zuletzt gestiegenen Kurse in Shanghai und Hongkong letzte Woche belegen. Nur: Bislang hat die Staatsführung keinerlei konkrete Stellungnahmen oder Maßnahmen vorgelegt. Nach wie vor ist eine mögliche Abkehr von Null Covid nichts weiter als ein Gerücht.

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