Was eine Rede über das Weltbild des Xi Jinping verrät
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Chinas Präsident Xi Jinping beim G20-Gipfel auf Bali im November 2022.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Peking. Es ist ein gar nicht so leichtes Unterfangen, sich durch die Reden des chinesischen Staatschefs zu wälzen: Zum einen liegt dies an der – gelinde formuliert – sperrigen Rhetorik, andererseits sind die ideologischen Chiffren des Parteivorsitzenden oft nur mühsam zu decodieren. Doch wenn der 69‑Jährige seine erste Grundsatzrede seit Langem hält, hat die Weltöffentlichkeit guten Grund dazu, einmal genauer zuzuhören. Schließlich skizziert Xi – nur einen Monat, ehe er beim Nationalen Volkskongress seine dritte Amtszeit beginnen wird – die politische Stoßrichtung Chinas der nächsten Jahre.
Am Dienstag trat er, wie immer in ein weißes Hemd und eine dunkelblaue Arbeitsjacke gekleidet, vor seine führenden Kader in der Parteischule des Zentralkomitees. Xis Kernbotschaft strotzte vor Selbstbewusstsein: China habe „den Mythos entlarvt, dass Modernisierung gleich Verwestlichung“ bedeute. Mehr noch: Der chinesische Weg diene den Entwicklungsländern des globalen Südens als Vorbild.
China versucht, mit seinem autokratischen Regierungsmodell zu expandieren
Seit einigen Jahren bereits versucht die Volksrepublik, mit ihrem autokratischen Regierungsmodell ins Ausland zu expandieren. Dabei lässt sich in der Argumentation der Staatsführung ein deutlicher Paradigmenwechsel beobachten: Lehnte Peking früher noch Begriffe wie „Demokratie“ und „Menschenrechte“ als eurozentristisch ab, hat man diese mittlerweile für sich selbst vereinnahmt.
So behauptet die chinesische Führung schlicht, dass man die bessere, „ganzheitliche Demokratie“ repräsentiere und auch die Menschenrechte wesentlich stärker fördere als beispielsweise die Vereinigten Staaten. Dabei wird insbesondere das Recht auf wirtschaftliche Entfaltung hervorgehoben, schließlich hätte kein anderes Land der Welt in solch kurzer Zeit so viele Menschen aus der Armut gehoben wie China.
Beziehung zwischen den USA und China durch Ballonabschuss verschlechtert
Der Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Beobachtungsballons über dem Gebiet der USA sorgt weiterhin für Spannungen zwischen den beiden Ländern.
© Quelle: Reuters
Xi hebt wirtschaftliche Entwicklung Chinas hervor
Ohnehin, so Xi Jinping in seiner Rede, habe die Kommunistische Partei seit ihrer Machtübernahme 1949 einen Industrialisierungsprozess in nur wenigen Jahrzehnten abgeschlossen, wofür die „entwickelten Länder des Westens mehrere hundert Jahre“ gebraucht hätten.
Die Chuzpe, die Xi Jinping an den Tag legt, wirkt angesichts der derzeitigen Nachrichtenlage durchaus befremdlich. Erst am Wochenende hat die sogenannte Spionageballonaffäre dafür gesorgt, dass US‑Außenminister Anthony Blinken seinen lang erwarteten Peking-Besuch platzen ließ. Auch wenn Xi für diese außenpolitische Blamage kaum direkt verantwortlich zu machen ist, ist er es indirekt jedoch sehr wohl: Schließlich hat er ein System geprägt, in dem die Hierarchien und die ideologische Kontrolle immer strikter wurden – und Kritik nur mehr schwer formuliert werden kann.
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Die Ballonkrise: Wie die USA und China mit dem Abschuss umgehen
Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons durch die USA erhebt Peking schwere Vorwürfe. Die USA hätten völlig überreagiert. Die Verschlechterung der Beziehungen kommt zur Unzeit: Schon durch den Ukraine-Krieg und die Spannungen um Taiwan ist die Anspannung hoch. Annäherungssuche könnte es demnächst in Deutschland geben.
Das System wird anfälliger für Fehler
Eine der unmittelbaren Folgen ist eine zunehmende Anfälligkeit für Fehler, wie es das dogmatischen Festhalten an der radikalen Null-Covid-Strategie eindrücklich offengelegt hat. Die ideologisch motivierten, wissenschaftlich nicht fundierten Lockdowns haben die Volkswirtschaft insbesondere im Vorjahr massiv ausgebremst.
Dennoch ist Xi Jinping davon überzeugt, dass Chinas Staatsbeamte weiter daran arbeiten müssen, einen „effizienteren“ Weg als den Kapitalismus zu finden und die Gesellschaft gerechter zu gestalten. Was auf dem Papier nobel klingt, schaut in der Realität weniger rosig aus: Zuletzt hat Xi Jinpings erratische Wirtschaftspolitik mit zur rekordhohen Jugendarbeitslosigkeit beigetragen, nachdem beispielsweise die führenden Techunternehmen des Landes massiv reguliert wurden. Ob es der Volksrepublik gelingen wird, die massive Ungleichheit in den Griff zu bekommen, ohne die gesamte Volkswirtschaft zu drosseln, ist bislang offen.
Für Xi Jinping steht jedoch ein Ziel über allen anderen – der Machtanspruch der Kommunistischen Partei: „Nur durch unbeirrbares Festhalten an der Parteiführung“ könne das Land eine „glänzende Zukunft haben“. Ohne die Partei jedoch würde das Land ihre „Seele verlieren“.