„Pyrotechnik gezielt als Waffe gegen Menschen“: Neue Debatte über Feuerwerksverbot
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Nach schweren Unfällen mit Feuerwerk und Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht, flammt erneut die Debatte über ein Böllerverbot auf (Symbolbild).
© Quelle: IMAGO/PaetzelPress
Berlin. Als Reaktion auf Angriffe gegen Einsatzkräfte in der Silvesternacht und mehrere schwere Böller-Unfälle wird wieder über ein generelles Verbot von Privat-Feuerwerk diskutiert. „Unsere Befürchtungen wurden von der Realität noch übertroffen“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, am Sonntag laut Mitteilung. Er sei fassungslos, dass selbst der Tod eines 17-Jährigen nicht zu sofortigen Reaktionen verantwortlicher Bundespolitiker führe.
Angriffe auf Sicherheitskräfte: Berliner Polizei zieht Bilanz nach Silvesternacht
Die Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Verkehrsteilnehmende hatten eine Intensität, die man aus den Vorjahren so noch nicht gekannt habe.
© Quelle: Reuters
„Bundesinnenministerin Faeser hat trotz unserer Warnungen und trotz einer klaren Mehrheit der Menschen für ein absolutes Böllerverbot die schrecklichen Folgen dieser Nacht zu verantworten“, sagte Resch. Deutschland habe „eine Aggressivität in einer noch nie dagewesenen Form“ erlebt. „Es ist eine Minderheit, die die Silvesternacht ausnutzt und mit Pyrotechnik die große Mehrheit terrorisiert.“
Gewerkschaft der Polizei für Böllerverbot - Union und FDP dagegen
Als Reaktion auf die Angriffe mit Böllern und Raketen auf Polizisten und Feuerwehrleute verlangt auch die Gewerkschaft der Polizei Berlin, mit einem weitgehenden Böllerverbot Ernst zu machen. „Wir haben deutschlandweit gesehen, dass Pyrotechnik ganz gezielt als Waffe gegen Menschen eingesetzt wird“, kritisierte GdP-Landeschef Stephan Weh. Das müsse ein Ende haben. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, sagte zur „Bild“-Zeitung (Montag), dass die Gewalt auf das Schärfste zu verurteilen sei. „Ich setze auf die Härte des Rechtsstaats.“ Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese sprach sich für ein Böllerverbot in bestimmten Stadtvierteln aus.
Politiker von Union und FDP wandten sich gegen ein allgemeines Böllerverbot. Das Verhalten von Kriminellen dürfe nicht bedeuten, „dass auch die vielen friedlich Feiernden einem generellen Feuerwerksverbot unterliegen sollten“, sagte der Erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der „Rheinischen Post“. Die Kommunen hätten bereits die Möglichkeit, an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten ein Feuerwerksverbot zu verhängen: „Das ist vernünftig.“
Ähnlich argumentierte die parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, in derselben Zeitung: „Ein allgemeines Böllerverbot wäre nicht zielführend, zumal Städte die Möglichkeit haben, partielle Feuerwerksverbote auszusprechen.“
Berlin, Hamburg, NRW: Dutzende verletzte Einsatzkräfte
In der Silvesternacht waren Polizei und Rettungskräfte massiven Angriffen ausgesetzt. In Berlin berichtete die Polizei am Sonntag von Angriffen auf Einsatzkräfte im gesamten Stadtgebiet. 18 Polizeikräfte seien dabei verletzt worden. Ein Beamter habe nach massivem Beschuss mit Pyrotechnik schwere Verbrennungen erlitten. Zum Teil seien Einsatzkräfte auch mit Eisenstangen, Steinen und Flaschen angegriffen worden. Allein für den Silvestereinsatz seien knapp 1300 Polizistinnen und Polizisten im Dienst gewesen. Die Intensität der Angriffe sei „mit den Vorjahren nicht zu vergleichen“ gewesen, hieß es weiter. Insgesamt seien 103 Personen festgenommen worden, darunter 98 Männer und fünf Frauen. Es seien zahlreiche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) kam es vereinzelt zu Krawallen und Übergriffen auf Einsatzkräfte: etwa in Hagen, Essen und Bochum. In der Bochumer Innenstadt bewarfen laut Polizei an die 300 Menschen Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern, nachdem die Polizei einem 17-Jährigen eine Pistole abgenommen hatten. In Essen bewarfen nach Polizeiangaben etwa 200 Menschen im Bereich des Steeler Wasserturms Fahrzeuge oder andere Bürgerinnen und Bürger mit Böllern und Raketen. Im bevölkerungsreichsten Bundesland wurden dabei 42 Polizistinnen und Polizisten verletzt, wie das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW am Sonntag in Duisburg in einer vorläufigen Bilanz erklärte. Im Vorjahr seien es 23 gewesen.
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In Hamburg wurden in mehreren Fällen Polizisten beziehungsweise deren Fahrzeuge angegriffen. Auf St. Pauli bekam ein Polizist einen Schlag gegen den Kopf. Ein Unbekannter bedrohte in Elmshorn einen Feuerwehrmann mit einer Schusswaffe. Der Feuerwehrmann war damit beschäftigt, einen brennenden Müllcontainer zu löschen, als ihn der Unbekannte gegen 0.40 Uhr bedrohte, wie die Polizeidirektion Bad Segeberg mitteilte. Insgesamt verzeichnete die Hamburger Polizei in der Silvesternacht rund 1200 Einsätze, ein Jahr zuvor waren es gut 1000, in den Nächten von 2020 auf 2021 sowie von 2019 auf 2020 waren es jeweils gut 1300 Einsätze.
Auch aus Mannheim berichtete das Polizeipräsidium am Sonntag von Angriffen in der Silvesternacht. Polizei und Passanten seien mit Pyrotechnik beworfen und beschossen worden. Ein Beamter habe einen Hörschaden erlitten. Auf einen Dienstwagen der Polizei sei gezielt eine Rakete abgeschossen worden. Die im Inneren befindlichen Beamten seien jedoch nicht verletzt worden.
Berlins Regierende Bürgermeisterin zutiefst erschüttert
Das Ausmaß an Zerstörung erschüttere sie zutiefst, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) dem „Tagesspiegel“ am Sonntag in Berlin. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte, dass Rettungs- und Einsatzkräfte behindert, angegriffen und zum Teil schwer verletzt worden seien, mache sie wütend. Sie setze auf konsequente Strafverfolgung.
RND/dpa/epd