Gefährdung für Rollstuhlfahrer

„Oft gilt das Recht des Stärkeren“: Umwelthilfe kritisiert Duldung von Falschparkern auf Gehwegen

In einer Straße parken Autos auf dem Gehweg.

In einer Straße parken Autos auf dem Gehweg.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert, dass zahlreiche Städte das Falschparken auf Gehwegen nicht konsequent ahnden. Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation beruft sich dabei auf eine eigene Umfrage bei bundesweit 104 Städten, darunter alle Großstädte und die jeweils größten Städte aller Bundesländer. Das Ergebnis der Untersuchung, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt: Nur 26 von ihnen ahnden das Parken auf Gehwegen konsequent mit Bußgeldern. Noch weniger lassen regelmäßig abschleppen: Insgesamt 20 Städte haben angegeben, dass sie Falschparker auf Gehwegen abschleppen, wenn eine Behinderung vorliegt.

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„Die systematische Duldung von Falschparkern auf Gehwegen ist lebensgefährlich und aus unserer Sicht rechtswidrig. Autos auf dem Gehweg verdecken die Sicht und zwingen Menschen zum Ausweichen auf die Straße – mit fatalen Folgen“, sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Er fordert deshalb Passanten dazu auf, Falschparker zu fotografieren und Verkehrsbehinderungen zur Anzeige zu bringen. „Und zwar so lange, bis die Städte ihrer Pflicht, freie Wege zu garantieren, endlich nachkommen“, so Resch. Das sei nichts anderes als Notwehr.

Parken auf dem Gehweg: Was sagt die Gesetzgebung dazu?

Parkende Autos auf Gehwegen können besonders für Menschen, die mit Kinderwagen, Rollator oder im Rollstuhl unterwegs sind, zum Problem werden. Sie müssen im Zweifel auf die Straße ausweichen und sind dann einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt.

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Solange es nicht explizit durch ein entsprechendes Verkehrszeichen erlaubt ist, ist das Parken auf einem Gehweg grundsätzlich verboten. Wer dagegen verstößt, begeht eine Verkehrsordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld bestraft werden. Und wer mit seinem geparkten Auto auf einem Gehweg eine Behinderung oder Gefährdung für Fußgänger darstellt, kann zusätzlich sogar abgeschleppt werden. Das ist der Fall, wenn ein sogenannter Begegnungsverkehr nicht mehr möglich ist, also wenn zwei Menschen nicht genug Platz haben, um aneinander vorbeizugehen. Das muss auch möglich sein, wenn beide beispielsweise einen Kinderwagen schieben.

Es genügt nicht, wenn nur ein schmaler Engpass verbleibt, den Rollstuhlfahrer oder Personen mit Kinderwagen ‚mit Mühe und Not‘ passieren können.

Oberverwaltungsgericht Bremen

Das bestätigte kürzlich auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen. Darin heißt es: „Es genügt nicht, wenn nur ein schmaler Engpass verbleibt, den Rollstuhlfahrer oder Personen mit Kinderwagen ‚mit Mühe und Not‘ passieren können. Vielmehr muss auch ein Begegnungsverkehr unter ihnen und mit Fußgängern möglich bleiben.“

Bußgeld nur nach Einzelfallentscheidung

Dennoch überlassen es viele Städte, darunter in Sachsen und Schleswig-Holstein, den Ordnungskräften, eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Die kann im Zweifel auch zugunsten des Autofahrers ausfallen. „Gehwege sind für den Fußverkehr da. Dennoch gilt in deutschen Städten oft das Recht des Stärkeren“, kritisierte der stellvertretende Leiter Verkehr und Luftreinhaltung der DUH Robin Kulpa. Menschen mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl werde in den meisten Städten der Weg von Autos blockiert. „Dass viele Städte ihr rechtswidriges Verhalten in unserer Abfrage offen eingestehen, zeigt, dass es keinerlei Problembewusstsein gibt“, sagte Kulpa.

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In Göttingen reicht ein Meter Gehwegbreite

Als besonders fußgängerfeindlich kritisiert die DUH unter anderem Göttingen. Hier sieht die Stadt dem Bericht der Organisation zufolge einen Gehweg mit 80 Zentimetern Breite als ausreichend an und lässt nicht abschleppen. Allerdings hat ein durchschnittlicher Rollstuhl schon eine Breite von rund 70 Zentimetern, hinzu kommt noch Platzbedarf zum Anschieben. Selbst ein Bußgeld wird in Göttingen erst bei einer verbleibenden Gehwegbreite von unter einem Meter verhängt.

In Gebieten, wo kein Parkschein oder Anwohnerausweis nötig ist, wird in Göttingen laut Bericht Gehwegparken grundsätzlich geduldet – egal, ob der Weg dann noch nutzbar sei oder nicht, sagte Kulpa. Positiv hingegen sticht nach der Untersuchung Hildesheim hervor. Dort gelte, dass Gehwegparken erst dann als legal angesehen wird, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern, gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr möglich ist.

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Eine Vorreiterrolle nimmt laut dem Bericht Baden-Württemberg ein. Das sei das einzige Bundesland, das in einem „Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr“ vom Mai 2020 den Kommunen gegenüber bestätigt hat, dass die pauschale Duldung von illegalem Gehwegparken rechtswidrig sei, heißt es von der DUH.

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