Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Finanzierung von AfD-naher Stiftung: keine Benachteiligung ohne Gesetz

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, Rhona Fetzer, Christine Langenfeld, Peter Müller, Doris König (Vorsitz), Sibylle Kessal-Wulf, Astrid Wallrabenstein und Thomas Offenloch, verkündet das Urteil in Sachen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, Rhona Fetzer, Christine Langenfeld, Peter Müller, Doris König (Vorsitz), Sibylle Kessal-Wulf, Astrid Wallrabenstein und Thomas Offenloch, verkündet das Urteil in Sachen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“.

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Der Bundestag hat die Rechte der AfD auf Chancengleichheit der Parteien verletzt, weil er der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung im Jahr 2019 ohne gesetzliche Grundlage Zuschüsse verweigerte. Dies entschied an diesem Mittwoch das Bundesverfassungsgericht und gab damit einer Organklage der AfD statt. Eine Nachzahlung von Geldern ordnete das Gericht nicht an.

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Derzeit bekommen sechs parteinahe Stiftungen Geld aus dem Bundeshaushalt. Im Jahr 2019 waren es insgesamt 660 Millionen Euro. Empfänger sind die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah), die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah), die Heinrich-Böll-Stiftung (grün-nah), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah), die Rosa-Luxemburg-Stiftung (links-nah) und die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah).

Zweifel an der Verfassungstreue

Zwei Drittel des Geldes fließt in Auslandsprojekte, insbesondere in die weltweite Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Zivilgesellschaft. Knapp ein Viertel der Stiftungsgelder erhalten mehr oder weniger parteinahe Stipendiaten. Den Rest, rund 130 Millionen Euro, erhielten die Stiftungen als „Globalzuschüsse“ für politische Bildung, Forschung und Politikberatung.

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Im Karlsruher Verfahren ging es nur um die Globalzuschüsse. Die AfD hatte ab 2019 beantragt, dass auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) staatliche Zuschüsse erhalten solle. Die AfD hatte die DES als parteinah anerkannt. Vorsitzende ist Erika Steinbach, die zuvor fast 30 Jahre lang für die CDU im Bundestag saß und seit 2022 AfD-Mitglied ist.

Der Bundestag verweigerte der AfD-nahen Stiftung jedoch Jahr für Jahr die Zuschüsse. Anfangs hieß es zur Begründung, dass die AfD erst noch zeigen müsse, dass sie eine dauerhafte Kraft ist. Nach dem zweiten Einzug in den Bundestag 2021 beschlossen die anderen Fraktionen erstmals einen Vermerk zum Bundeshaushalt 2022, wonach parteinahe Stiftungen nur dann finanziert werden, wenn keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen. Wieder ging die DES leer aus.

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Eingriff ist nur auf gesetzlicher Grundlage möglich

Im aktuellen Urteil ging es nur um das Jahr 2019. Für die Jahre 2020 und 2021 hatte die AfD zu spät geklagt. Und für das Jahr 2022 wurde das Verfahren abgetrennt, weil die AfD hier ihren Antrag erst zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung Ende Oktober gestellt hatte. Der Bundestag und die Bundesregierung hätten sich darauf nicht ausreichend vorbereiten können. Um die 2022 erstmals geforderte Verfassungstreue ging es daher im Urteil nur am Rande.

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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vizepräsidentin Doris König stellte fest, dass die Verweigerung der Finanzierung einer parteinahen Stiftung ein Eingriff in die Rechte der Partei selbst darstellt. Denn die Arbeit der Stiftung nütze ihr im Parteienwettbewerb, auch wenn die Stiftungen personell mit den jeweiligen Parteien nicht identisch sein dürfen und auch keinen Wahlkampf betreiben dürfen. Doch in der politischen Bildung verbreiten die Stiftungen allgemeines Gedankengut der jeweiligen Parteien. Bei der politischen Forschung liefern sie nützliche Erkenntnisse, und die Begabtenförderung helfe bei der Gewinnung und Förderung qualifizierten Nachwuchses. Der Nutzen für die jeweilige Partei sei zwar nicht messbar, aber es wäre realitätsfremd, einen Nutzen zu bestreiten, so die Richter.

Dieser Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien ist nur auf gesetzlicher Grundlage möglich – das ist die zentrale Aussage des aktuellen Urteils. Ein Vermerk im Haushaltsgesetz (wie 2022) genüge nicht, da das Haushaltsgesetz keine Außenwirkung habe. Nur weil ein solche Gesetz fehlt, nahmen die Richter eine Verletzung der Rechte der AfD an.

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Gericht ordnet keine Nachzahlung von Zuschüssen an

Falls der Bundestag der AfD-nahen Stiftung weiter Gelder verweigern will, muss er also ein Gesetz beschließen. Hierfür habe das Parlament einen gewissen „Gestaltungsspielraum“, so die Richter. Unbedenklich sei jedenfalls eine Norm, die parteinahen Stiftungen nur dann Anspruch auf Finanzierung gibt, wenn es sich um eine „dauerhafte, ins Gewicht fallende Grundströmung“ handelt.

Möglich sei es auch, so Karlsruhe, eine parteinahe Stiftung von der Finanzierung auszuschließen, wenn dies „zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, also zum Schutz von Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat, „erforderlich“ ist. Details hierzu nannten die Richter nicht.

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Ulrich Vosgerau, der Rechtsvertreter der AfD, forderte eine Nachzahlung von Zuschüssen für das Jahr 2019 an. Dies hat das Gericht jedoch nicht angeordnet. Es hat nur festgestellt, dass die Verweigerung der Zuschüsse für die DES 2019 verfassungswidrig war.

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„Kein Geld für Verfassungsfeinde“

Inzwischen kündigten alle Ampelparteien an, dass sie kurzfristig ein entsprechendes Gesetz erarbeiten wollen. „Kein Geld für Verfassungsfeinde – nach diesem Grundsatz werden wir nun schnell ein Stiftungsgesetz im Deutschen Bundestag erarbeiten und verabschieden“, sagte etwa Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Fraktion. „Es ist Ausdruck der wehrhaften Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, dass der freiheitliche Staat nicht die Feinde der Freiheit alimentieren muss“, betonte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle, „jeder Euro Steuergeld für die AfD-Stiftung wäre ein Euro zu viel“: Für die Grünen wies Konstantin von Notz darauf hin, dass die Fraktion schon in der letzten Wahlperiode einen entsprechenen Gesetzentwurf vorgelegt hatte.

Gegen ein entsprechendes Gesetz dürfte die AfD dann wieder beim Bundesverfassungsgericht klagen.

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