Nach dem Flüchtlingsgipfel: Die Kommunen sind weiter unzufrieden
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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU, von links nach rechts) nach dem Flüchtlingsgipfel.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Berlin. Die Kommunen haben sich nach dem Flüchtlingsgipfel am Mittwochabend im Kanzleramt enttäuscht gezeigt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte dort mit den Ministerpräsidenten der 16 Länder vereinbart, Landkreisen, Städten und Gemeinden zunächst eine Milliarde Euro zusätzlich zu geben. Die Entscheidung über die Forderung der Länder nach einer dauerhaft höheren Beteiligung des Bundes an den Kosten entsprechend der tatsächlichen Flüchtlingszahlen wurde hingegen auf November vertagt.
Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe (CDU), sagte der „Rheinischen Post“: „Dieses Treffen war für uns unterm Strich eine ziemliche Enttäuschung. Alle paar Monate einen fixen Betrag zugeschoben zu bekommen, das hilft uns bei steigenden Flüchtlingszahlen nicht weiter.“ Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, nannte die zugesagte Milliarde einen „Tropfen auf den heißen Stein“.
Haseloff warnt vor AfD
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) unterdessen: „Es ist ein erster Schritt, dass der Bund nun unmittelbar eine Milliarde Euro mehr aufbringt und der kommunalen Familie als Unterstützung zur Verfügung stellt. Aus meiner Sicht muss aber noch mehr Kraft in die Entbürokratisierung investiert werden, damit Menschen aus der Falle des Asylverfahrens endlich in die Arbeitsmigration wechseln können.“
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erklärte: „Die Vereinbarung kann nur ein Anfang sein. Wir müssen in ein System kommen, das die Mitfinanzierung durch den Bund dauerhaft sicherstellt.“ Er fuhr fort: „Die Leute vor Ort steigen sonst aus. Und ohne Akzeptanz in der Bevölkerung für die Flüchtlingspolitik haben wir ein Förderprogramm für die AfD. Das muss uns alle unruhig machen. Wir dürfen denen keine Luft lassen.“
Länder und Kommunen hatten monatelang mehr Hilfen angemahnt. Das Kanzleramt und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hielten dagegen. Sie argumentieren auch unverändert, der Bund übernehme 90 Prozent der Kosten für Ukrainerinnen und Ukrainer sowie die anerkannten Asylbewerber aus anderen Ländern – im vorigen Jahr waren das insgesamt etwa 1,3 Millionen Menschen. Ohnehin hätten viele Länder in den letzten Jahren finanzielle Überschüsse erwirtschaftet, während der Bund unter anderem wegen der Corona-Pandemie und der Energiekrise immer tiefer in die Miesen rutsche.
Am Mittwochabend sprach Scholz bei der anschließenden Pressekonferenz zwar von einem „sehr konstruktiven und guten Treffen“. Dabei kam er auf die finanziellen Zugeständnisse des Bundes indes erst am Schluss zu sprechen und erklärte relativ allgemein, man werde im November die Frage erörtern, wie sich die finanzielle Förderung „längerfristig weiterentwickeln“ lasse.
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Kritik der Grünen
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zeigte sich „froh, dass es uns gelungen ist, uns zusammenzuraufen“. Der Beschluss löse aber „noch nicht die Grundsatzfrage“. Sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Hendrik Wüst (CDU) stellte schlicht fest: „Mehr war eben nicht drin.“
Einigkeit bestand allein darin, dass Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive künftig von vornherein aus der Europäischen Union herausgehalten werden müssten, sodass sie in Deutschland gar keinen Asylantrag mehr stellen können. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke kritisierte das. „Was die Ministerpräsidentenkonferenz unter der Leitung von Kanzler Scholz beschlossen hat, kommt einer weitgehenden Entrechtung von Geflüchteten gleich“, sagte er dem RND. „Ihnen zentrale Rechte zu nehmen hilft keiner Kommune weiter und schafft nicht einen Betreuungsplatz oder eine Wohnung zur Unterbringung mehr.“ Pahlke unterstrich: „Ich fühle mich an einen Beschluss eines informellen Gremiums nicht gebunden. Darüber entscheidet immer noch der Deutsche Bundestag.“