G7-Gipfel in Japan zu Ende

Industrieländer warnen China und werben um Brasilien und Indien

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt zu einem Pressestatement zum Abschluss des G7-Gipfels.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt zu einem Pressestatement zum Abschluss des G7-Gipfels.

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Hiroshima. Olaf Scholz ist zufrieden. Mit sich selbst, was allein noch keinen Neuigkeitswert hätte, aber auch mit allen anderen. „Wir haben hier sorgfältig miteinander beraten und gute Entscheidungen getroffen“, sagt der Kanzler am Sonntagmorgen zum Ende des G7-Gipfels im japanischen Hiroshima.

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Auf eine gemeinsame Haltung in vielen Fragen zur Zukunft des Planeten hätten sich die wichtigsten demokratischen Industrienationen verständigt – Hunger, Klimawandel, Sicherheit, Gerechtigkeit. „Die Entscheidungen sind ein klares Bekenntnis zu einer besseren Welt, getragen von den wirtschaftsstarken Demokratien“ sagt Scholz. „Deshalb ist das hier ein sehr erfolgreicher Gipfel.“

Selenskyj zum G7-Gipfel in Japan eingetroffen

Selenskyj landete in einem französischen Regierungsflugzeug in Hiroshima, wie auf Bildern des staatlichen japanischen Fernsehsenders NHK zu sehen war.

Scholz kann mit den Gipfelergebnissen sehr gut leben. Die Sorge der Bundesregierung, dass die USA und Japan das Treffen zu einem Anti-China-Gipfel machen könnten, hat sich nicht erfüllt – auch weil die Europäer dagegengehalten haben. Von einer Abkopplung der westlichen Volkswirtschaften von China, wie sie manchen Hardlinern in Washington vorschwebt, ist in den Gipfeldokumenten keine Rede. Stattdessen geht es um die Reduzierung von Abhängigkeiten und Risiken.

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So wollen die Staaten des Westens ihre Versorgung mit Rohstoffen und Vorprodukten breiter aufstellen, um sich von Peking weniger erpressbar zu machen. Auch sollen Investitionen westlicher Unternehmen in der Volksrepublik strenger überprüft werden, damit es nicht zu einem illegalen Wissenstransfer kommt. Doch dabei geht es vor allem um militärische nutzbare Technologien. Ansonsten soll es keine großen Investitionshemmnisse geben, zumal der Gipfel das Interesse der Welt an einem „wachsenden China“ ausdrücklich festhält.

G7-Wut in Peking

Die Führung in Peking reagiert trotzdem erbost. „Die G7-Gruppe ignoriert die ernsten Bedenken Chinas und besteht darauf, Angelegenheiten im Zusammenhang mit China zu manipulieren, China zu verleumden und anzugreifen und sich grob in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen“, sagt ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Die G7 singe das Lied einer friedlichen Welt, aber „unterdrückt die Entwicklung anderer Länder“ und beeinträchtige Frieden und regionale Stabilität.

Das sehen die Gipfelteilnehmer natürlich gänzlich anders. Es gibt ein Foto, das Olaf Scholz und den indischen Premierminister Narendra Modi am Rande des Treffens zeigt. Die beiden sitzen nahe beieinander am Wasser, Modi spricht mit großer Geste und Scholz hört aufmerksam zu.

Dem Kanzler gefällt die Aufnahme offenbar so gut, dass seine Leute sie bei Twitter verbreiten. Auf einem anderen Foto geht Scholz auf den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zu – strahlend und mit ausgestreckter Hand. Die Bilder drücken aus, wie sich der Bundeskanzler die zukünftige Beziehung zwischen Industriestaaten und Schwellenländern vorstellt: auf Augenhöhe.

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Indien, Brasilien und einige andere Vertreter des globalen Süden sind als „Partnerländer“ bei dem Gipfel dabei. Die starke Betonung der Partnerschaft hat weniger mit dem plötzlich erwachenden Altruismus der G7 zu tun als mit der Erkenntnis, dass sich die Demokratien des Westens aktiv um die aufstrebende Nationen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas bemühen müssen, wenn diese nicht in das Lager Chinas oder, noch schlimmer, Russlands abwandern sollen.

Scholz hat die Strategie der Einbindung jener neuen „Global Player“ bereits beim letzten G7-Gipfel auf dem bayerischen Schloss Elmau verfolgt. Sein Nachfolger als Gipfelpräsident, der japanische Premierminister Fumio Kishida, führt den Ansatz fort. Vor allem demokratisch verfasste Staaten wie Indien, Brasilien oder Indonesien wollen die Demokratien des Westens auf ihre Seite ziehen, auch wenn der Weg dorthin weit ist.

Treffen mit Selenskyj? Lula ziert sich

Wie weit zeigt eine Unstimmigkeit am Rande des Gipfels. Medien berichten, dass die brasilianische Delegation verärgert auf den überraschenden Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj reagiert haben soll. Während die westlichen Verbündeten den Auftritt des Mannes aus Kiew fast schon feierten, hielt sich Brasiliens Präsident Lula lange Zeit offen, ob er Selenskyjs Bitte nach einem bilateralen Treffen in Hiroshima überhaupt nachkommen werde.

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Lula fühlte sich den Berichten zufolge unter Druck gesetzt, eine eindeutig proukrainische Haltung einzunehmen. Die allerdings will der brasilianische Präsident, der sich selbst als potenzieller Vermittler sieht, bislang vermeiden. So hat Brasilien zwar den russischen Angriff auf die Ukraine kritisiert, gleichzeitig aber der EU und den USA vorgeworfen, den Krieg mit Waffenlieferungen zu verlängern.

Scholz gab sich bei seinem Statement trotz der Irritationen hoffnungsvoll. Er nehme eine „ganz neue Intensität der Gesprächsführung“ zwischen der Ukraine und den Ländern des globalen Südens wahr, sagte der Kanzler. Es sei wichtig, allen zu erklären, dass ein Einfrieren des Konfliktes nicht zu einem Frieden führe, so Scholz. „Das Ergebnis muss immer sein, dass Russland Truppen zurückzieht.“

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