Welche Rolle spielt der Brexit?

Nur drei Gurken pro Person: Supermärkte in Großbritannien rationieren Gemüse

In einem Tesco-Supermarkt in London hängt ein Schild an den Regalen, das die Kunden an die geltenden Einkaufsbeschränkungen erinnert.

In einem Tesco-Supermarkt in London hängt ein Schild an den Regalen, das die Kunden an die geltenden Einkaufsbeschränkungen erinnert.

London. Es ist ein typischer Vormittag in einem Supermarkt im Nordosten Londons. Ein Familienvater möchte Gurken kaufen, viele Gurken. Nach und nach lädt er das Gemüse aus dem Einkaufswagen auf das schwarze Band, das die Waren zur Kasse transportiert. Schließlich liegen knapp ein Dutzend Exemplare zum Scannen bereit. Nach wenigen Minuten kommen die grünen Gewächse vor der Kassiererin an. Diese blickt auf und sagt dem Kunden etwas, was dieser offenbar noch nicht wusste: Er darf nur noch jeweils drei Stück kaufen. Die Morrison-Filiale im Stadtteil Hackney ist mit dieser Regelung keine Ausnahme. Sechs große Supermarktketten in Großbritannien – darunter auch Aldi und Lidl – rationieren mittlerweile Paprika, Tomaten, Gurken und Salat. Wie konnte es so weit kommen? Und: Hat das etwas mit dem Brexit zu tun?

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„Der Hauptgrund für die Gemüseknappheit sind schlechte Wetterbedingungen in Marokko und Spanien“, erklärt Stephen Hunsaker von der Denkfabrik UK in a Changing Europe gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Ungewöhnlich tiefe Temperaturen hätten in den Wintermonaten das Gemüse und die Ernte geschädigt, bestätigen viele Branchenexperten.

Das Königreich wurde dadurch besonders hart getroffen, weil die beiden Staaten am Mittelmeer zu den wichtigsten Lieferländern zählen. Verschärft wurde die Situation durch die verringerte Produktion in Gewächshäusern in europäischen Ländern wie den Niederlanden. Hauptgrund dafür sind die hohen Energiekosten als Folge der Invasion Russlands in die Ukraine.

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„Das erklärt aber natürlich nicht, warum wir in Großbritannien leere Regale sehen und die Menschen in Staaten der EU nicht“, räumt Hunsaker ein. Auf der Insel spiele der Brexit eine Rolle, wenn auch eher indirekt. „Viele vor allem kleinere europäische Händler schrecken seit dem Austritt aus der EU davor zurück, Gemüse nach Großbritannien zu exportieren“, betont er. Schließlich sei dies oft zeitintensiver und mit deutlich mehr Papierkram verbunden. Das Vereinigte Königreich sei damit abhängiger von bestimmten Ländern und könne dadurch nicht so schnell auf geänderte Marktbedingungen reagieren wie Mitgliedsstaaten der EU. In anderen Worten: „Der Brexit ist nicht der Grund für den Gemüsemangel, aber er machte Großbritannien anfälliger dafür.“

Starker Preisanstieg

Für Briten bedeutet dies, dass Gurken und Co. nicht nur seltener, sondern – den Gesetzen des Marktes entsprechend – auch teurer wurden. Die Preise für frische Lebensmittel stiegen laut dem Wirtschaftsverband British Retail Consortium (BRC) im Februar um 16,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Helen Dickinson, Geschäftsführerin der BRC, sprach von einem „neuen Rekordhoch“. Hatten die Briten schon seit Monaten angesichts der hohen Inflation finanziell zu kämpfen, erhöht sich der Druck auf Verbraucher nun noch weiter. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Kantar kämpfen ein Viertel der Konsumenten mit den steigenden Rechnungen, die sie nach einem Einkauf im Supermarkt erwarten.

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Als die konservative Umwelt- und Agrarministerin Thérèse Coffey vergangene Woche auf den Mangel an Gurken und Co. im Parlament angesprochen wurde, formulierte sie einen Ratschlag, der ihr hinterher viel Spott einbrachte. So empfahl sie britischen Verbrauchern, mehr lokales Gemüse wie beispielsweise Rüben zu essen.

Hunsaker von der Denkfabrik UK in a Changing Europe hält derlei Empfehlungen für äußerst fragwürdig: „Coffey vermittelt damit den Eindruck, dass dies ein Problem von Verbrauchern sei, anstatt selbst die Verantwortung zu übernehmen“, erklärt er. Dabei sei es die Aufgabe der Regierung, funktionierende Lieferketten zu gewährleisten, um gegen Ernteausfälle gewappnet zu sein. Den Mitteilungen einiger britischer Supermarktketten zufolge könnte die Knappheit von Tomaten und weiteren Importgemüsesorten noch einige Wochen anhalten.

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