Abschiebung von Bootsflüchtlingen

Großbritanniens geplanter Asylstopp: Migrationsexperten befürchten chaotische Folgen

Rishi Sunak, Premierminister von Großbritannien, spricht auf einer Pressekonferenz in der Downing Street, nachdem die Regierung Pläne für neue Gesetze zur Eindämmung der Überquerung des Ärmelkanals als Teil des Gesetzes über illegale Migration vorgestellt hatte.

Rishi Sunak, Premierminister von Großbritannien, spricht auf einer Pressekonferenz in der Downing Street, nachdem die Regierung Pläne für neue Gesetze zur Eindämmung der Überquerung des Ärmelkanals als Teil des Gesetzes über illegale Migration vorgestellt hatte.

London. Der morgendliche Blick in britische Tageszeitungen hat am Mittwoch bei vielen konservativen Abgeordneten wohl ein gutes Gefühl hinterlassen. Rishi Sunak sei bereit, „den Kampf mit den Gerichten aufzunehmen“, titelte die „Times“. Der „Express“ zitierte den Premierminister mit der Aussage: „Wir entscheiden, wer hier herkommt.“ Gesagt hatte er dies bei einer Presse­konferenz zum Thema Migration am Dienstag vor ihm zugeneigten Medien. Dabei setzte er wie sein Vorgänger Boris Johnson auf einen knackigen Slogan. „Stop the boats“ („Stoppt die Boote“) stand auf der Vorderseite seines Rednerpultes.

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Laut dem Gesetzesentwurf, den Innenministerin Suella Braverman am Dienstag im britischen Parlament vorstellte, sollen Geflüchtete, die über den Ärmelkanal oder aus einem sicheren Drittland auf die Insel kommen, zunächst interniert und dann nach spätestens 28 Tagen abgeschoben werden. Eine Rückkehr nach Großbritannien soll nicht möglich sein. Dabei setzt die Regierung vor allem auf Abschreckung. „Menschen in der ganzen Welt sollen wissen, dass sich der Weg nicht lohnt“, sagte Braverman.

Mit solchen Aussagen vermittelte die konservative Partei jenen Eindruck, den sie vermitteln wollte, kommentierte die Onlinezeitung „Politico“ am Mittwoch. Schließlich ist es ein Haupt­anliegen Sunaks, die Zahl der Geflüchteten zu reduzieren, um sich Wählerstimmen zu sichern und überdies die Basis der Partei zu befrieden. Tatsächlich kommen immer mehr Migrantinnen und Migranten mit kleinen Booten über den Ärmelkanal und riskieren ihr Leben, weil es kaum legale Wege für Schutzsuchende zum Beispiel aus Ländern wie Afghanistan gibt.

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Sunak auf Wählerfang

Im vergangenen Jahr kamen 45.500 Migrantinnen und Migranten über den Ärmelkanal, fünfmal so viele wie im Jahr 2020. Von vielen konservativen Wählerinnen und Wählern wird diese Form der Migration als existenzielle Bedrohung empfunden; und das, obwohl die Zahlen vergleichsweise niedrig sind. Laut einer Umfrage unterstützt eine große Mehrheit das Vorhaben der Regierung, Geflüchtete auf dem schnellsten Wege abzuschieben. Viele von ihnen leben in den einstigen Labour-Hochburgen in den Midlands und im Norden Englands, weit weg von der Küste. Sie sind eine wichtige Wählergruppe für die Tory-Partei, die angesichts historisch schlechter Umfragewerte um jede Stimme kämpft.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Tories versuchen, das Problem der Migration über den Ärmelkanal in den Griff zu bekommen. Im vergangenen Jahr führte Ex‑Premierminister Johnson ein Programm ein, mit welchem Geflüchtete nach Ruanda abgeschoben werden sollten. Der Deal mit dem ostafrikanischen Land kostete Großbritannien umgerechnet rund 150 Millionen Euro, die Staatschef Paul Kagame unter anderem in Unterkünfte investierte. Der erste Flug nach Kigali im Juni 2022 wurde jedoch in letzter Minute durch den Europäischen Gerichtshof gestoppt.

Rishi Sunaks neuer Gesetzentwurf hält an dem Plan seines Vorgängers fest, geht aber auch darüber hinaus, betonte Madeleine Sumption, Migrationsexpertin an der Universität Oxford, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Neu ist, dass die Menschen keinen Status haben sollen“ und damit quasi nicht mehr existieren. Geflüchteten würde ein Antrag auf Asyl verweigert, egal wie „echt und überzeugend“ ihr Anliegen auch sein mag, hieß es vonseiten des UN‑Flüchtlingshilfswerkes.

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Problematisch sei dies auch, weil gar nicht klar sei, ob sie überhaupt abgeschoben werden können, so Sumption. „Es gibt nicht viele sichere Drittländer, die bereit sind, Geflüchtete aus Großbritannien aufzunehmen, und auch in Ruanda sind die Möglichkeiten begrenzt.“ Die Frage sei also, was mit den vielen Menschen passieren soll? „Bleiben sie in einer Art perma­nentem Schwebezustand im Land?“ Auch Migrationsexperte Peter William Walsh äußerte gegenüber dem RND große Bedenken hinsichtlich der Pläne: „Sie könnten zu erheblichem Chaos und hohen finanziellen Kosten führen.“

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