Analyse

Die Nato besteht Nervenproben – während Putin Europa verliert

Russische Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29SMT fliegen im Jahr 2022 bei einer Übung über den Roten Platz in Moskau.

Russische Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29SMT fliegen im Jahr 2022 bei einer Übung über den Roten Platz in Moskau.

Einmal ist Zufall. Zweimal ist Zufall. Dreimal ist eine feindliche Handlung. So lehrte es der britische Schriftsteller und James-Bond-Erfinder Ian Fleming in seinen Spionageromanen schon vor 60 Jahren, mitten im Kalten Krieg.

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Heute scheint diese Grundregel auch Joe Biden zu leiten. Neuerdings lässt der US-Präsident unbekannte Flugobjekte aller Art, mittlerweile sind es vier, frühzeitig durch Norad abschießen, die gemeinsame Flugabwehr der Nato-Staaten USA und Kanada. Detailfragen, etwa nach dem Woher oder nach der genauen Beschaffenheit der mal achteckigen und mal zylindrischen Objekte, werden erst später geklärt.

Den chinesischen Ballon hatte Biden einige Tage über die USA fliegen lassen – prompt nannten Kritiker seine Reaktion zu langsam. Ist Biden inzwischen allzu „trigger-happy“, wie die Amerikaner sagen: zu schnell mit der Hand am Abzug?

Eine rundum angespannte Lage

Eins zumindest steht fest in diesen etwas rätselhaften Tagen: Der Westen wird gerade auf eine Probe gestellt. Dazu tragen auch die immer neuen provokativen Annäherungen russischer Kampfflugzeuge an den Nato-Luftraum in Europa bei: In 570 Fällen musste die Nato im Jahr 2022 nach RND-Recherchen Kampfflugzeuge aufsteigen lassen.

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Während neuerdings auch Amerikanerinnen und Amerikaner bange Blicke himmelwärts werfen – und im Netz schon Fantasiegeschichten von einer Alien-Invasion die Runde machen –, rauchte am Montag die öffentliche Internetseite des Nato-Stützpunkts Ramstein ab: Eine russische Hackergruppe hatte sie lahmgelegt. Aktionen wie diese berühren zwar nicht die sicherheitsrelevanten internen Nato-Netzwerke, sind aber ein Hinweis auf eine rundum Feindseligkeit.

In dieser angespannten Lage kamen die Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten in Brüssel zusammen. Einmal ging es um die Ukraine, um Panzer, Kanonen und nicht zuletzt um Munition. Einmal mehr auch war der ukrainische Verteidigungsminister in der Runde zu Gast und unterstrich die Eilbedürftigkeit der anstehenden Beschlüsse.

Zugleich standen aber auch neue und so nervositätssteigernde Themen auf der Tagesordnung wie die Abwehr physischer und digitaler Attacken auf Unterwasserkabel, Gaspipelines oder ganze Finanzsysteme.

Auch hier sind Vorbereitungen nötig und Nachrüstungen. Denn wahrscheinlicher als jede nukleare Eskalation ist ein Griff des langjährigen KGB-Agenten Wladimir Putin in die Trickkiste der hybriden Kriegsführung. Liebend gern würde der Kremlherr es sehen, dass die Nato-Staaten im zweiten Jahr des Ukraine-Kriegs aus irgendeinem Grund die Nerven verlieren.

Russland startet Offensive in der Ostukraine

Ukrainische Truppen im Osten des Landes leisten seit Monaten Widerstand. Und zeigten sich auch auf neue Angriffe gefasst.

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Die Nato hat bereits vieles richtig gemacht

Wichtiger als viele andere Fragen ist in den kommenden Monaten die psychologische Widerstandskraft des Westens. Dem hasserfüllten Hecheln in Moskau muss das Bündnis etwas Bremsendes entgegensetzen. Bislang hat die Nato an dieser Stelle vieles richtig gemacht. Als im November in Polen zwei Menschen durch Raketeneinschläge starben, waren es die Nato und ihr Generalsekretär Jens Stoltenberg, die als Erste meldeten, es gebe keinen Angriff Russlands auf das Nato-Land. Einen kühlen Kopf zu bewahren und zugleich stärker zu werden ist genau der richtige Weg. So hat es der Norweger Stoltenberg seinen Partnern empfohlen. Und so haben es die meisten auch gemacht.

Für Russland liegt in der Besonnenheit der Nato eine schlechte Nachricht, ebenso wie in ihrer wachsenden Wehrhaftigkeit. Niemand in Moskau hatte etwa mit zusätzlichen 100 Milliarden Euro für die deutschen Streitkräfte gerechnet.

Putin hatte auf einen verwirrten, schwächelnden Westen gesetzt, nicht zuletzt auch auf ein verwirrtes, schwächelndes Deutschland. Doch eben erst zeichnete in Berlin ausgerechnet ein grüner Bundeswirtschaftsminister schon mal die Lieferung von 178 Kampfpanzern des Typs Leo 1 an die Ukraine ab. Für Russland ist das, Militärfragen hin oder her, ein sozio-kulturelles Destaster.

Finnland und Schweden werden wohl noch in diesem Sommer Nato-Mitglieder. Die jüngste Präsidentschaftswahl in Tschechien gewann der Putin-Feind Petr Pavel. Und die Debatte um die Nachfolge Stoltenbergs als Nato-Generalsekretär dreht sich unter anderem um die russlandkritische Kaja Kallas, Premierministerin von Estland, und den russlandkritischen Ben Wallace, Verteidigungsminister von Großbritannien.

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Putin kämpft und kämpft, doch er hat Europa schon verloren. Wenn es gut geht, verlagert sich die wahre Nervenprobe dieser Zeit bald nach Moskau.

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