Neue Debatte entbrannt

Der „Leopard der Lüfte“ für die Ukraine: Liefert der Westen jetzt Kampfflugzeuge?

Ein Kampfflugzeug der türkischen Luftwaffe vom Typ F‑16 startet vom Flugplatz Wittmund aus.

Ein Kampfflugzeug der türkischen Luftwaffe vom Typ F‑16 startet vom Flugplatz Wittmund aus.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Westen nachdrücklich aufgefordert, nach der Lieferung von Kampfpanzern nun auch Kampfhubschrauber und Kampfjets abzugeben. „Diese russische Aggression kann nur mit geeigneten Waffen gestoppt werden“, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache in der Nacht zu Freitag und fügte hinzu: „Waffen, die unseren Himmel schützen.“

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Die USA und Frankreich schließen die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine nicht aus. Man müsse von Fall zu Fall entscheiden und sich alle Türen offen halten, so der Vorsitzende des Verteidigungs­ausschusses der französischen Nationalversammlung, Thomas Gassilloud. Der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jon Finer, sagte dem US-Fernsehsender MSNBC: „Wir werden das sehr sorgfältig diskutieren.“

In Deutschland sind Politikerinnen und Politiker zögerlich und zurückhaltender. „Kampfflugzeuge, die vor allem zuerst Flugabwehrsysteme in Russland zerstören müssten, um ihr Potenzial auf dem Gefechtsfeld auszuwirken, bergen ein weiteres schwer zu kalkulierendes Risiko“, sagt die Vorsitzende des Verteidigungs­ausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). „Ich sehe aktuell keine deutschen Kampfjets über der Ukraine.“ Selbst der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, der wie Strack-Zimmermann vehement Waffenlieferungen an die Ukraine vorangetrieben hat, hält sich bedeckt. „Ich sehe Deutschland eher an anderer Stelle in der Verantwortung“, macht Hofreiter gegenüber dem RND deutlich. Als Herstellerland des in Europa am weitesten verbreiteten Kampfpanzers Leopard 2 müsse sich Deutschland jetzt auf die Ausbildung der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten, die Lieferung von Munition und die Wartung und Instandsetzung der Leopard-Panzer konzentrieren. Und der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wurde noch deutlicher. „Ich halte das für ausgeschlossen“, sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

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Dass die Lieferung von Kampfhubschraubern und Kampfjets militärisch sinnvoll wäre und der Ukraine einen großen Vorteil verschaffen würde, steht für den Militärexperten Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr München außer Frage. „Wenn die Ukraine Kampfflugzeuge bekäme, wäre das eine neue Dimension westlicher Waffenlieferungen“, sagt Sauer im Gespräch mit dem RND. Er rechnet mit einer langen Debatte, aber am Ende sei es durchaus möglich, dass sich westliche Staaten zur Lieferung von Kampfflugzeugen durchringen könnten.

Die Diskussion über Kampfjets und Kampfhubschrauber für die Ukraine ist nicht neu. Bereits wenige Wochen nach Beginn des Großangriffs auf die Ukraine hatte der ukrainische Präsident die Nato gebeten, eine Flugverbotszone über der Ukraine zu verhängen. Die Nato-Staaten lehnten ab, weil sie keine eigenen Kampfpilotinnen und ‑piloten in den Krieg schicken wollten. „Anders als im Fall der früheren Debatte über eine Flugverbotszone würden nun natürlich ukrainische und nicht westliche Soldaten in Kampfflugzeugen den Himmel über der Ukraine schützen“, macht Experte Sauer den entscheidenden Unterschied deutlich. Er ist sich sicher: „Die rote Linie Deutschlands bleibt auch in Zukunft, dass keine westlichen Streitkräfte in der Ukraine im Einsatz sind.“

In Expertenkreisen wird seit Längerem diskutiert, welche Kampfflugzeuge der Westen der Ukraine überlassen kann und welche aus unterschiedlichen Gründen nicht infrage kommen. Während Ex-Botschafter Andrij Melnyk eine „Jet-Koalition für die Ukraine mit F‑16 und F‑35, Eurofighter und Tornado, Rafale und Gripen-Jets und allem, was Sie liefern können“, forderte, zeichnen Fachleute ein differenzierteres Bild von dem, was möglich und sinnvoll ist. „Sinnvoll wäre die Lieferung von MiG-29-Kampfflugzeugen, außerdem F‑16 und die schwedische Gripen“, sagt Experte Sauer.

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Derzeit verfügt die Bundeswehr über zwei Kampfflugzeuge: den Eurofighter und den Tornado. Die deutschen Tornados würden der Ukraine laut Sauer aber nur Probleme bereiten, weil jedes Ersatzteil einzeln von Hand angefertigt werden müsse. „Deutschland kann keine Kampfflugzeuge abgeben, weil, kurz gesagt, der Eurofighter zu neu und der Tornado zu alt ist.“ Bundeskanzler Scholz sei damit aus der Kampfflugzeugdebatte raus.

Es gibt einfach so gut wie nichts, was Deutschland an Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern an die Ukraine abtreten könnte.

Frank Sauer,

Militärexperte an der Universität der Bundeswehr München

Als aussichtsreichstes Kampfflugzeug für die Ukraine gilt die F‑16, ein amerikanischer Kampfflieger, von dem die USA Hunderte besitzt. Es ist das am weitesten verbreitete Kampfflugzeug, auch die Türkei, Dänemark und andere Nato-Länder haben zahlreiche Maschinen. „Die F‑16 ist der Leopard der Lüfte“, sagt Sauer. Viele westliche Armeen haben die F‑16 vor Kurzem ausgemustert oder sind dabei, ihre Bestände zu reduzieren. Da dürfte es weniger Überwindung kosten, ausgerechnet dieses Kampfflugzeug an die Ukraine abzugeben.

Der Sprecher der ukrainische Luftwaffe, Yuriy Ignat, sagte bei einem Pressebriefing, die ukrainischen Kampfpiloten seien in der Lage, die F-16 innerhalb weniger Wochen zu beherrschen. „Aber Fliegen und Landen sind eine Sache, auf diesen Kampfjets zu kämpfen, ist eine andere.“ Es gebe bereits eine Liste mit Piloten, die im Fall der Fälle F-16 fliegen sollen. Ignat hält es für möglich, dass die F-16 zum neuen Haupttyp der ukrainischen Kampfflugzeuge werden könnte.

Scholz: Müssen Krieg zwischen Russland und der NATO verhindern

Der Kanzler sagte, es sei richtig, dass Deutschland sich bei der Entscheidung, Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern, nicht habe treiben lassen.

Aber es geht noch schneller und effektiver: Die MiG-29 würden der Ukraine laut Sauer unmittelbar am meisten helfen. Die ukrainische Armee verfügt bereits über einige Maschinen dieses Typs und die Pilotinnen und Piloten sind erfahren. Die Slowakei hat in dieser Woche signalisiert, Kampfjets vom Typ MiG-29 zur Verfügung stellen zu können. „Wir sind bereit“, stellte der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nagy klar.

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