Klitschko warnt: Putin „könnte auch nach Deutschland einmarschieren“
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Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew und ehemaliger Box-Profi, gestikuliert während eines Interviews mit der Associated Press (AP) in seinem Büro im Rathaus.
© Quelle: Efrem Lukatsky/AP/dpa
In Deutschland war Vitali Klitschko (51) vielen bis zu Putins Krieg gegen die Ukraine vor allem als Ex‑Profiboxer bekannt. Seit dem Einmarsch der Russen in sein Land rückte Klitschkos Rolle als Bürgermeister von Kiew in den Vordergrund. Bereits seit 2014 hat er das Amt inne, noch nie war es so schwer wie in diesem Jahr.
Im Interview mit dem „Spiegel“ lässt Klitschko nun das Kriegsjahr Revue passieren und erinnert sich noch an den Beginn von 2022: „Wirtschaftlich ging es uns gut. Das Coronavirus hatte uns gebremst, aber wir hatten schon wieder höhere Einnahmen als im Vorjahr, es herrschte Vollbeschäftigung. Deswegen habe ich die Zukunft der Stadt sehr optimistisch gesehen“, sagt er. Doch schon vor Putins Angriff hätten westliche und ukrainische Experten davor gewarnt. „Deswegen habe ich für die Zivilverteidigung getrommelt, gesagt, dass wir uns vorbereiten müssen. Aber die Zentralregierung hatte gesagt, alles werde in Ordnung sein, es gebe keinen Krieg“, sagt er und äußert damit Kritik an Präsident Wolodymyr Selenskyj. „Ich wurde kritisiert, ich solle keine Panik schüren.“
Selenskyj kritisierte Kiew für fehlende Wärmepunkte
Klitschko und Selenskyj hatten auch schon vor dem Krieg kein gutes Verhältnis, doch in diesem Jahr wird das noch mal deutlicher. Der Präsident kritisierte Klitschko kürzlich erst und sagte, die Kiewer Stadtverwaltung habe nicht genug Wärmepunkte für frierende Menschen eingerichtet. Das weist der Bürgermeister gegenüber dem „Spiegel“ strikt zurück: „Wir haben in Kiew mehr Wärmepunkte als alle anderen Oblaste, nämlich ganze 500. Ohne jegliche Unterstützung der Regierung haben wir Generatoren dafür aufgetrieben. Selenskyjs Kritik war ein Fehler.“ Den aufkommenden Streit will er aber offenbar nicht hochkochen lassen: „Wenn unsere Bürger oder unsere Partner im Ausland sehen, dass wir Feinde im Innern suchen, ist das kontraproduktiv“, sagt er dem Magazin. „Es gibt zurzeit nur eine Flagge und die ist blau-gelb.“
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Gleichzeitig spart auch er nicht an Kritik. Über den Beginn des Krieges berichtet Klitschko: „Es war chaotisch, weil die Kommunikation von oberster Stelle nicht richtig lief. Wir haben keine Direktiven bekommen. Die Zentralregierung hatte gesagt, alles werde in Ordnung sein, es gebe keinen Krieg. Deshalb mussten wir zunächst selbst entscheiden und uns danach mit dem Militär, mit Syrskij, koordinieren.“
Klitschko zieht Erfahrungen als Boxer heran
Dann kommt Klitschko auf die Kämpfe zu sprechen – und zieht hier auch Erfahrungen aus seiner Zeit als Boxer heran: „Als Einzelsportler weiß ich: Größe und Kraft spielen keine Rolle, entscheidend ist der Wille zum Sieg.“ Und der Wille der meisten Menschen in Kiew sei „der Wahnsinn“. Die Menschen hätten ihn nicht um Fluchthilfe gebeten, sondern um Waffen. Klitschko ist deswegen siegesgewiss: „Wenn es darum geht, unsere Familien und unsere Kinder zu verteidigen, sind wir bereit, unser Leben zu geben. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir gewinnen.“ Über ein mögliches Kriegsende will er nicht spekulieren. Er findet: „Dieser Krieg endet, wenn der letzte russische Soldat unser Territorium verlässt.“
Selenskyj: „Jeder russische Angriff bringt das Land dem Tribunal näher“
Russland rückt mit jedem weiteren Raketenangriff gegen die Ukraine nach Ansicht von Präsident Wolodymyr Selenskyj näher an ein Internationales Tribunal heran.
© Quelle: dpa
„Was die Russen tun, ist Terrorismus, Völkermord“, führt Klitschko gegenüber dem „Spiegel“ aus und spricht die Angriffe auf kritische Infrastruktur wie Heizkraftwerke an. „Weil Putin an der Front keinen Erfolg hat, will er das Leben normaler Menschen zerstören. Er will, dass Frauen, Kinder, alte Menschen sterben.“ Er warnt auch andere Länder und verweist auf die Wichtigkeit des Zusammenhalts. So sagt Klitschko über Putin: „Er spricht auch über Polen und die baltischen Länder. Ihr Deutschen dürft nicht vergessen, ein Teil Deutschlands gehörte ebenfalls zum sowjetischen Imperium. Putin hat jahrelang als KGB-Agent in der DDR gearbeitet. Er könnte auch nach Deutschland einmarschieren.“