Worüber Lauterbach und die Länder bei der Krankenhausreform streiten
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Intensivpflegerinnen pflegen auf der Kinderintensivstation des Olgahospitals des Klinikums Stuttgart.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Berlin. Nicht weniger als eine „Revolution“ hatte Karl Lauterbach für den Krankenhaussektor angekündigt. Doch die nun schon seit einigen Monaten laufenden Verhandlungen zwischen dem Bundesgesundheitsminister und den Ländern über eine Reform sind sehr zäh. Nun hat Lauterbauch das Herzstück der Reform, ein Transparenzregister für Kliniken, ins Kabinett gebracht. Das „Transparenzverzeichnis“ soll in verständlicher, interaktiver Form über das Angebot am jeweiligen Klinikstandort informieren. Geplanter Startpunkt: April 2024. Welche Klinik künftig was anbieten darf, darüber wird noch gerungen.
- Warum ist eine Reform nötig?
- Was will Lauterbach erreichen?
- Worüber besteht Einigkeit zwischen Bund und Ländern?
- Was ist umstritten?
- Warum sind die Krankenhaus-Level wichtig?
Warum ist eine Reform nötig?
In Deutschland stehen rund 1700 Krankenhäuser für die medizinische Versorgung zur Verfügung. Fast zwei Drittel schreiben rote Zahlen. Um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern, versuchen die Kliniken, möglichst viele Eingriffe vorzunehmen. Das führt dazu, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Häufigkeit von Operationen auf vorderen Rängen steht, insbesondere beim Einsatz von künstlichen Hüft- und Kniegelenken. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betonte die Dringlichkeit der Reformpläne. „Wir stehen am Beginn eines unkontrollierten Krankenhaussterbens“, sagte der SPD-Politiker im August der „Bild“-Zeitung. „Ohne die Reform würden wohl 25 Prozent der Krankenhäuser sterben.“
Was will Lauterbach erreichen?
Nach dem Modell einer von Lauterbach eingesetzten Kommission sollen die Kliniken künftig auch für das Vorhalten von medizinischen Behandlungskapazitäten Geld erhalten. Damit ist es für die Krankenhäuser nicht mehr notwendig, möglichst viel zu operieren, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Die Experten haben zudem vorgeschlagen, die Kliniken in drei Versorgungsstufen einzuteilen – von der wohnortnahen Grundversorgung bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken („Level“). Dabei soll vorgeschrieben werden, welche Leistungen in den verschiedenen Versorgungsstufen erbracht werden und welche personellen, technischen und qualitativen Mindestanforderungen dafür erforderlich sind („Leistungsgruppen“).
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Worüber besteht Einigkeit zwischen Bund und Ländern?
Die Aufteilung der bisher pro Fall gezahlten Pauschalen auf Vorhalte- und Behandlungskosten ist weitgehend Konsens. Einigkeit besteht auch darüber, dass es – anders als von der Kommission vorgeschlagen – nicht 128 Leistungsgruppen geben soll, sondern nach dem Vorbild der bereits eingeleiteten Klinikreform in Nordrhein-Westfalen nur etwas mehr als 60. Unstrittig ist auch, dass für die Leistungsbereiche (zum Beispiel „Herzchirurgie“ oder „Wirbelsäuleneingriffe“) bundesweit einheitliche Qualitätskriterien gelten sollen. Wer sie nicht erfüllt, bekommt die entsprechenden Eingriffe nicht mehr von den Kassen bezahlt.
Was ist umstritten?
Die Länder wehren sich grundsätzlich gegen die „Level“-Einteilung, weil sie dadurch ihre Hoheit bei der Krankenhausplanung eingeschränkt sehen. Tatsächlich kann der Bund mit diesem System detailliert vorschreiben, welches Krankenhaus künftig was anbieten darf. Eine Entscheidung des Bundes „vom grünen Tisch in der Berliner Blase“ oder durch eine Hintertür dürfe es aber nicht geben, kritisierte etwa Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) im Gespräch mit dem RND. „Die Länder müssen selbst entscheiden können, welche Versorgung wo stattfindet“, forderte er. Alles andere sei verfassungswidrig. „Ich sehe gerade in Flächenländern wie Bayern die wohnortnahe Versorgung durch die aktuellen Vorschläge der Reform gefährdet“, warnte der CSU-Politiker.
Warum sind die Krankenhaus-Level wichtig?
Sie sind ein wesentlicher Faktor, um zu einer modernen Krankenhausstruktur zu kommen. Interessant ist dabei insbesondere das unterste Level. Das sollen neuartige Gesundheitsstationen werden, die sich in enger Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten ausschließlich um kleinere OPs oder um die (Kranken-)Pflege insbesondere älterer Menschen kümmern. Dafür kommen zum Beispiel kleinere Kliniken infrage, die sich heute mit qualitativ schlecht gemachten Eingriffen geradeso über Wasser halten. Wenn nicht einmal eine derartige Umwandlung sinnvoll ist, müsste das Krankenhaus geschlossen werden.
Die Länder sind zwar nicht grundsätzlich gegen ein derartiges System, sie wollen sich aber vom Bund nicht reinreden lassen. Beim Bund besteht jedoch die Sorge, dass die Landesregierungen aus Angst vor einer Abstrafung durch die Wähler vor härteren Schritten zurückschrecken. Dabei ist nachvollziehbar, dass es für Patientinnen und Patienten sinnvoller ist, weitere Wege in Kauf zu nehmen und sich von erfahrenen Medizinern operieren zu lassen, als sich vor Ort in eine Klinik zu begeben, in der der Eingriff nur selten vorgenommen wird.