Vom Koch zum Kremlchef?

Wagner-Chef will Präsident werden: Prigoschin führt Sonntagsfrage ein und sieht sich gleichauf mit Putin

Dieses vom Prigoschin Pressedienst zur Verfügung gestellte Videostandbild zeigt Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, an einem unbekannten Ort während einer Erklärung per Video.

Dieses vom Prigoschin Pressedienst zur Verfügung gestellte Videostandbild zeigt Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, an einem unbekannten Ort während einer Erklärung per Video.

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Einst kochte Jewgeni Prigoschin noch für Russlands Präsidenten Wladimir Putin im Kreml – nun will der Chef der berüchtigten Wagner-Söldner selbst Präsident werden. Er fordert den Kremlchef offen heraus, indem er in Russland die „Sonntagsfrage“ eingeführt hat: Wen würden Sie wählen, wenn nächste Woche Präsidentschaftswahlen wären? Die aus dem Wagner-Umfeld veröffentlichten Ergebnisse einer angeblichen Telefonumfrage zeigen, dass Prigoschin in der Wählergunst beinahe gleichauf mit Putin liegt. Weniger als drei Prozentpunkte fehlen ihm noch: Prigoschin kommt demnach auf 39,7 Prozent, Putin auf 42,5 Prozent.

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Hinter den beiden folgt mit deutlichem Abstand Russlands Ministerpräsident Michail Mischustin, dann mit höchstens einem Prozent andere potenzielle Kandidaten. Am schlechtesten schneidet Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu ab, gegen den Wagner-Chef Prigoschin beinahe täglich eine Hasstirade auf Telegram veröffentlicht. Laut ukrainischen Medien haben Wagner-nahe Telegram-Gruppen nicht nur die Ergebnisse der Umfrage verbreitet, sondern auch Wahlwerbung für Prigoschins Präsidentschaftskandidatur. „Das Land vergisst seine Helden nicht“, steht auf dem Werbebanner.

Wagner-Chef verschärft Streit mit Moskaus Militärführung
Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin in der Ukraine.

Der Chef der russischen Söldner-Gruppe, Prigoschin, warf Russlands Verteidigungsminister Schoigu vor, seiner Truppe Munition vorzuenthalten.

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Prigoschin inszeniert sich schon seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine als ein Mann aus dem Volk, der Klartext spricht und sich nicht davor fürchtet, sich mit dem Kreml anzulegen. „Prigoschin ist ein wendiger Faschist, er weiß, was er tut“, so die Osteuropaexpertin Annette Werberger von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) auf Twitter. „Er hat Geld, Waffen und Soldaten, ist als einziger russischer ‚Politiker‘ momentan sichtbar.“

Osteuropaforscher Alexander Dubowy betont zudem, dass Prigoschin die öffentliche Meinung über Internetmedien zu beeinflussen weiß. Mit der Wagner-Gruppe verfüge er zudem über die einzigen russischen Truppen, die in den vergangenen Monaten erwähnenswerte Erfolge erzielen konnten. Dubowy glaubt, dass Prigoschin ein langes Spiel spielt. „Insofern muss der Sturz Putins ja gar nicht das Ziel sein; aber eine gute Positionierung für die Zeit danach.“

Erst vor wenigen Wochen überraschte Prigoschin mit einem TV-Auftritt beim russischen Staatsfernsehen Russia Today, bei dem er sich so in Szene setzte wie Putin bei seinen vergangenen Ansprachen. Er sitzt an einem Schreibtisch gegenüber dem Fragesteller, so wie Putin häufig, und seine Körpersprache erinnert ebenfalls sehr an die von Putin. „Während des Interviews schien Prigoschin die Art nachzuahmen, wie Wladimir Putin sich bei öffentlichen Auftritten inszeniert“, so auch die Einschätzung des US-Thinktanks „Institute for the Study of War“ (ISW). Normalerweise zeigt sich Prigoschin in seinen Videos stets mitten im Kriegsgebiet. Das ISW vermutet, es könnte eine subtile Andeutung sein, dass Prigoschin Putin als Präsident beerben wolle.

Wie ernst es der Wagner-Chef wirklich mit der Kandidatur für das Amt des Präsidenten 2024 meint, ist unklar. In der Vergangenheit nutzte er seinen prominenten Status immer wieder aus, um seinem Unternehmen Wagner Vorteile zu verschaffen. Prigoschin polterte gegen das Verteidigungsministerium, das seinen Leuten nicht genug Munition gebe, und reklamiert die Erfolge in Bachmut für sich. Indem er den Stellenwert seiner Privatarmee erhöht, sichert er sich gleichzeitig Macht und Einfluss in Moskau. Bisher ging es dabei vor allem um lukrative Staatsaufträge für seine Firma – nun aber könnte ihm das nicht mehr genug sein. Ob er überhaupt Chancen hat, ist unklar.

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