„Dieser Deal ist krank“: Schuldenkompromiss empört Trumps Hardliner
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Von der Partei-Rechten unter Druck: Kevin McCarthy, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses.
© Quelle: IMAGO/UPI Photo
Washington. Die Reaktion des ultrarechten Abgeordneten Dan Bishop war ebenso derb wie unmissverständlich. Seine Partei habe „praktisch nichts als Gegenleistung für die Anhebung der Schuldengrenze um vier Billionen Dollar“ bekommen, wetterte der Republikaner bei Twitter und garnierte seinen Tweet mit einem kotzenden Emoji. Dafür habe sie keinen Wahlkampf gemacht, protestierte auch die rechte Hardlinerin Lauren Boebert: „Ich stimme mit Nein“. Ihr Kollege Ralph Norman pöbelte: „Dieser Deal ist krank.“
Der radikale Trump-Flügel der Republikaner befindet sich in Aufruhr, aber Joe Biden wirkt zufrieden und die Finanzmärkte sind beruhigt, seit sich der demokratische US-Präsident und der republikanische Repräsentantenhaussprecher Kevin McCarthy in letzter Minute auf einen Kompromiss zur heiß umstrittenen Anhebung der Schuldenobergrenze geeinigt haben. Wenn der Deal in den nächsten Tagen vom Kongress gebilligt wird, verhindert er einen zum ersten Mal in der Geschichte drohenden Zahlungsausfall der USA, der die Weltwirtschaft mutmaßlich in schlimmste Turbulenzen gestürzt hätte.
McCarthy brüstet sich mit Gesetzesentwurf
Die Übereinkunft sei „eine gute Nachricht“ für das amerikanische Volk, erklärte Biden, räumte aber auch ein: „Das ist ein Kompromiss. Das heißt, dass niemand alles bekommt, was er will.“ In dem 99-seitigen Gesetzesentwurf, der am Sonntagabend veröffentlicht wurde, stehe „nicht ein einziger Erfolg“ der Demokraten, brüstete sich hingegen McCarthy. Trotz der Proteste der Hardliner in seiner Partei erwarte er, „dass die Mehrheit der Republikaner dafür stimmen wird“.
Wochenlang hatten sich Demokraten und Republikaner im Streit um die Schuldengrenze unversöhnlich gegenübergestanden. Ohne eine Einigung wäre der größten Volkswirtschaft der Welt nach Schätzungen von Finanzministerin Janet Yellen am 5. Juni das Geld ausgegangen. Weil große Teile der Republikaner mit extremen Forderungen eher am Spektakel als an einer Einigung interessiert schienen und Verhandlungsführer McCarthy intern eine schwache Position hatte, befürchteten nicht wenige Beobachter, dass das rituelle Gerangel dieses Mal außer Kontrolle geraten könne.
Nur ein Fünftel der geforderten Kürzungen
Diese Gefahr scheint nun gebannt. Für den Kompromiss musste Biden zwar Zugeständnisse machen, was angesichts der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus kaum überraschen kann. Doch fallen die Abstriche an seiner Agenda deutlich moderater als befürchtet aus. Hingegen mussten die Republikaner weit von ihren radikalen Forderungen abweichen. Statt der von ihnen verlangten Einschnitte im Umfang von drei Billionen Dollar dürften die Ausgaben nach Schätzungen der „New York Times“ nun um etwa 650 Milliarden Dollar zurückgefahren werden, wobei Einbußen bei einzelnen Vorhaben teils durch Umschichtungen aus anderen Bereichen ausgeglichen werden.
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Konkret friert die Vereinbarung die Staatsausgaben jenseits des Militärhaushalts für 2024 und 2025 praktisch auf dem Niveau des laufenden Jahres ein. Im Gegenzug wird die Schuldenobergrenze bis Anfang 2025, also bis nach der Präsidentschaftswahl, angehoben. Das ist für Biden ein wichtiger politischer Erfolg. Auch werden weder die Sozialabgaben drastisch beschnitten, noch die Subventionen des Klimagesetzes oder das Programm zum Erlass der Studienschulden rasiert, wie das die Republikaner gefordert hatten. Allerdings werden die Mittel zur besseren Ausstattung der maroden Steuerbehörde IRS um 20 Milliarden auf 60 Milliarden Dollar gekürzt.
Härtere Auflagen für Bedürftige
Besonders umstritten war die Forderung der Republikaner gewesen, staatliche Leistungen wie die Basiskrankenversicherung Medicaid und Lebensmittelhilfen grundsätzlich nur noch zu gewähren, wenn die Betroffenen eine Mindestzahl von Wochenstunden arbeiten. Eine solche Auflage wird es nicht geben. Allerdings wird das Höchstalter für die bereits bestehenden Arbeitsanforderungen bei den Lebensmittelhilfen von 50 auf 54 Jahre heraufgesetzt. Gleichzeitig werden Obdachlose und Veteranen künftig von dieser Restriktion ganz ausgenommen.
Das Gesetz steht nun vor einer turbulenten parlamentarischen Befassung. Um seine Wahl zum Sprecher des Repräsentantenhauses zu sichern, hatte McCarthy den ultrarechten Hardlinern nämlich weitreichende personelle Zugeständnisse gemacht. Nun dürften sie die Einbringung des Gesetzes mit ihren Abgeordneten im Geschäftsordnungsausschuss torpedieren. McCarthy ist dann dort wie im Plenum auf die Unterstützung der Demokraten angewiesen. Eine Mehrheit für den Schuldenkompromiss gilt hier wie auch im Senat gleichwohl als höchstwahrscheinlich.