30 Jahre nach Brandanschlag in Solingen

Steinmeier für wehrhaften Staat gegen rechte Hetze

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier findet bei der Gedenkveranstaltung in Solingen mahnende Worte.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier findet bei der Gedenkveranstaltung in Solingen mahnende Worte.

Solingen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert als Lehre aus dem Brandanschlag von Solingen vor 30 Jahren einen wehrhaften und wachsamen Staat. Es gelte, Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit die Stirn zu bieten, sagte Steinmeier am Montag bei der zentralen Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den Anschlag, bei dem fünf türkischstämmige Mädchen und Frauen getötet wurden. „Jeder Mensch muss in unserem gemeinsamen Land in Sicherheit und Frieden leben können, und der Staat muss besonders diejenigen schützen, die ein höheres Risiko haben, Opfer von Gewalt zu werden.“

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Wehrhafte Demokratie bedeute, stark zu sein gegen jene, die Hetze und Gewalt verbreiten und „die Vielfalt unseres Landes nicht wahrhaben wollen“, sagte der Bundespräsident laut Redetext. Auch alle Bürgerinnen und Bürger hätten eine Verantwortung und sollten Zivilcourage und Mut zeigen, statt schweigend oder gleichgültig auf Lügen, Hass und Hetze zu reagieren.

Steinmeier: „Kontinuität von rechtsextremer und rassistischer Gewalt“

Steinmeier erinnerte an den „braunen Nährboden“ des Brandanschlags von Solingen und vieler weiterer rechtsextremer Taten etwa in Hoyerswerda, Saarlouis, Rostock-Lichtenhagen und Mölln, die sich in das kollektive Gedächtnis eingegraben hätten, aber auch in jüngster Zeit in Halle und Hanau. „Es gibt eine Kontinuität von rechtsextremer und rassistischer Gewalt in unserem Land“, sagte der Bundespräsident. „Dieser rechte Terror ist verantwortlich für die Toten hier in Solingen. Diesen rechten Terror gab es vor Solingen, und es gibt ihn nach Solingen.“

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„Viel zu lange saß unser Land der durch nichts gestützten, aber ständig wiederholten Behauptung auf, es seien verblendete Einzeltäter, die ihr Unwesen treiben“, kritisierte Steinmeier. „Die Strukturen dahinter und die Ideologie der Täterinnen und Täter wurden lange übersehen, ignoriert, teils auch verdrängt.“

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Auch aus Sprache und Worten könnten Gewalttaten entstehen, mahnte der Bundespräsident und warnte Politiker davor, verbal um den rechten Rand zu buhlen oder „die Grenzen zwischen dem Unsagbaren und dem Unsäglichen“ zu verschieben. „Dann befeuern sie damit auch die Gewalt“, sagte er. „Der Brandanschlag von Solingen, der in der Zeit der polarisierten und hasserfüllt geführten Debatte um die Asylpolitik geschah, führt uns das drastisch vor Augen.“

Wüst ist wegen steigender rechtsextremen Straftaten beunruhigt

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst schlägt in eine ähnliche Kerbe. „Auch heute werden Menschen wegen ihrer Wurzeln, Kultur oder Religion ausgegrenzt, diskriminiert und angefeindet“, sagte der CDU-Politiker am Montag in Solingen.

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Rassismus zeige sich von subtiler Alltagsdiskriminierung über Hetze im Netz bis hin zu rechtsextremen Gewalttaten, sagte Wüst laut Redetext. „Es ist sehr beunruhigend, dass rechtsextremes Gedankengut so verbreitet ist, dass rassistische und rechtsextreme Propaganda und Straftaten wieder zunehmen.“ Der NRW-Regierungschef forderte dazu auf, sich dem „fortwährend entgegenzustellen“ und gemeinsam für ein respektvolles gesellschaftliches Miteinander einzustehen.

Wüst: Solingen steht auch für unglaubliche Stärke und Haltung

Solingen stehe wegen des „heimtückischen Brandanschlags“ bis heute für „schlimmste Menschenfeindlichkeit in niederträchtigster Form“, die Stadt im Bergischen Land sei aber kein Einzelfall, sagte Wüst. Er erinnerte an die Anschläge und Ausschreitungen in Rostock, Hoyerswerda, Mölln, München, Kassel, Halle und Hanau sowie die Morde des rechtsterroristischen Netzwerks NSU.

Solingen stehe zugleich auch für „unglaubliche Stärke und Haltung“, betonte der Ministerpräsident. Er verwies auf die Haltung der im Oktober gestorbenen Friedensbotschafterin Mevlüde Genç, die bei dem Anschlag zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nicht verlor und dennoch dem Hass Menschenliebe entgegengesetzt habe. Trotz ihres unbeschreiblichen Schmerzes habe sie die große Kraft gehabt, „einer ganzen Gesellschaft die Hand zu reichen und uns in diesen dunklen Stunden den Weg zu weisen“. Dadurch sei sie „ein großes Vorbild der Versöhnung“ geworden.

Anschlag sorgte für weltweites Entsetzen

Bei dem Brandanschlag von vier jungen Männern aus der Neonazi-Szene auf das Haus der türkischstämmigen Familie Genç waren am 29. Mai 1993 zwei Frauen und drei Mädchen getötet worden, weitere Familienmitglieder wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die Tat war einer der folgenschwersten ausländerfeindlichen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte und rief weltweit Entsetzen hervor.

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RND/epd

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