Streik der Müllabfuhr: Paris versinkt im Abfall
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Ein Mann geht an nicht abgeholtem Müll vorbei, da die Müllabfuhr gegen die geplante Rentenreform der französischen Regierung in den Streik getreten ist.
© Quelle: Thomas Padilla/AP/dpa
Paris. Es ist drei Uhr morgens, als ein großer Müllwagen durch die Rue de Buci im schicken sechsten Arrondissement (Bezirk) von Paris fährt. Ein Kamerateam des französischen Infosenders BFMTV filmt ihn auf seinem Weg, so als handle es sich um eine Sensation. Tatsächlich ist die Entsorgung von Abfall in der französischen Hauptstadt zur Rarität geworden. Der Wagen kommt nur im Schneckentempo voran, damit die Mitarbeitenden nach und nach all die Müllsäcke, die sich an den Straßenrändern türmen, in den Wagen werfen können. Sie arbeiten für ein privates Dienstleistungsunternehmen, denn ihre Kolleginnen und Kollegen der städtischen Müllentsorgung befinden sich seit dem 6. März im Streik, um gegen die geplante Rentenreform der Regierung zu protestieren. Am Donnerstag soll sie beschlossen werden. Rund 70 Prozent der Menschen in Frankreich sprechen sich dagegen aus.
Auch die Mitarbeitenden der Bahn oder von Raffinerien haben die Arbeit niedergelegt, doch die Folgen des Ausstandes bei der Pariser Müllabfuhr zeigen sich auf besonders beeindruckende Weise: In den meisten der 20 Pariser Arrondissements häufen sich die Berge an Abfall auf den Gehwegen teils meterhoch. 7000 Tonnen sollen es inzwischen insgesamt sein. Nur an besonders belebten Verkehrsknotenpunkten, nach Wochenmärkten oder in manchen Straßen wie in jener Nacht in der Rue de Buci werden die Abfälle abgeholt. Doch auch drei Verbrennungsanlagen in Pariser Vororten werden bestreikt. Touristinnen und Touristen, die zu Besuch in der vermeintlich „schönsten Stadt der Welt“ unterwegs sind, rümpfen die Nase über den Gestank. Gesundheitsexpertinnen und -experten warnen vor der Ausbreitung von Krankheiten durch die Müllberge in den Straßen.
Volle Unterstützung der Bürgermeisterin
Seitens der Stadt werden die Angestellten der Müllabfuhr ermutigt, ihre Streikbewegung fortzusetzen. Diese habe ihre „vollständige Unterstützung“, bekräftigte die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Am gestrigen Mittwoch, dem achten Streik- und Protesttag gegen die Reform, ließ sie eine Sitzung des Stadtrates unterbrechen, damit sich dessen Mitglieder an den Demonstrationen beteiligen konnten.
Längst wächst sich die Frage zum politischen Machtkampf aus. Innenminister Gérald Darmanin wies die Polizeipräfektur an, das Rathaus dazu aufzufordern, entweder private Müllfirmen anzustellen oder Personal zwangsweise zu verpflichten. Ansonsten könne die Präfektur selbst entsprechende Vorkehrungen treffen. Aus Hidalgos Umfeld verlautete, sie halte nichts von einer Zwangsverpflichtung, sondern rate dazu, „den Dialog der Anwendung von Gewalt vorzuziehen“.
Unerwünschte Rentenreform: erneute Proteste in Frankreich
Das Innenministerium bezifferte die Zahl der Demonstrierenden auf rund 370.000. Gewerkschaften hatten dagegen bis zu eine Million Menschen erwartet.
© Quelle: Reuters
Cafébesucher meiden die Tische im Außenbereich
„Niemand leugnet die Unannehmlichkeiten für die Pariserinnen und Pariser“, sagte der Gewerkschaftsführer Laurent Berger. Doch nachdem man den Mitarbeitenden der Müllabfuhr während der Corona-Pandemie applaudiert habe, weil sie weiter ihrer Arbeit nachgingen, müsse man nun auch ihre harten „sozialen Realitäten“ berücksichtigen. „Wir machen das nicht zum Spaß“, sagte der Müllmann Greg in der Zeitung „Le Parisien“ hinsichtlich des Streiks: „Die Pariser entdecken nun, dass es Ratten in ihrer Stadt gibt. Aber wir fangen um sechs Uhr morgens an und die Ratten gehören zu unserem Alltag.“ Damit die kleinen Nager den Gästen beim Cafébesuch nicht zwischen den Beinen herumlaufen, meiden immer mehr trotz frühlingshaft werdender Temperaturen die Tische in den Außenbereichen, sagte Franck Delbau, Vorsitzender der Vereinigung der Hotellerie-Berufe der Hauptstadtregion. „Manche von uns werden den Umsatz von mindestens einer Woche verlieren“, warnte er.
Das Tourismusamt der Stadt zeigte sich jedoch nicht alarmiert und erklärte, bislang seien die Auswirkungen minimal. Die Müllabfuhr-Mitarbeitenden haben angekündigt, ihren Streik bis 20. März fortzusetzen. Von ähnlichen Arbeitsniederlegungen betroffen sind auch andere französische Städte. In Nantes beauftragte das Rathaus ein Privatunternehmen, um die Straßen von 3,5 Tonnen Müll zu befreien. Im nordfranzösischen Le Havre werden die Bewohnerinnen und Bewohner gebeten, vorerst ihren Abfall nicht mehr hinauszustellen.