Drängler gegen Zauderer: Die Nato debattiert über Kampfjets für die Ukraine
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Kampfjet am Himmel über Deutschland bei einer Nato-Luftwaffenübung. (Archivfoto)
© Quelle: Tim Schaarschmidt
Brüssel. Während seiner Südamerikareise hat Bundeskanzler Olaf Scholz versucht, die Debatte um eine mögliche Lieferung von Kampfflugzeugen in die Ukraine einzuhegen. „Mancher muss sich schon fragen lassen: Warum stellt er die Frage, wo es doch darum geht, den Ukrainern zu helfen“, sagte der SPD-Politiker und warnte vor einem „Überbietungswettbewerb“. Doch Scholz‘ Worte dürften zu spät gekommen sein.
Zwar sind erst einige Tage vergangen, seit Deutschland und Nato-Staaten nach monatelangem Streit versprochen haben, der Ukraine Leopard-2-Panzer aus deutscher Produktion zu liefern. Doch nur Stunden später ging die Debatte wieder los.
„Es ist dazu jetzt wirklich alles gesagt“
Die Ukraine fordert jetzt die Lieferung von Kampfjets, um sich besser gegen die russischen Invasoren verteidigen zu können. Der stellvertretende ukrainische Außenminister Andriy Melnyk sprach – analog zum Zusammenschluss der Panzerlieferanten – von einer „Kampfjetkoalition“ westlicher Staaten. Sie sollten der Ukraine F-16-Jets und F-35-Flugzeuge aus US-Produktion, Eurofighter, Tornados, französische Rafales und schwedische Gripen schicken – am besten viele davon und sehr schnell.
Scholz dagegen mahnte in Santiago de Chile, in einer so wichtigen Frage wie Waffenlieferungen müsse es um die Sache und um rationale Abwägungen gehen. Er habe bereits kurz nach Kriegsbeginn zusammen mit US-Präsident Joe Biden Flugverbotszonen ausgeschlossen, weil das zu einem Konflikt zwischen Russland und der Nato geführt hätte. Auch „solche unsinnigen Ansinnen“ wie die Entsendung von Bodentruppen seien abgelehnt worden. „Es ist dazu jetzt wirklich alles gesagt – auch von mir“, so der Bundeskanzler.
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Es sieht dennoch nach einer Neuauflage des Kampfpanzerstreits aus – Drängler gegen Zauderer. Zur ersten Kategorie gehören die baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland sowie Polen – Länder, die schon lange vor der russischen Invasion in der Ukraine vor Russland gewarnt haben. Zu den Zauderern gehört Deutschland.
Niederlande: „Wir sind aufgeschlossen. Es gibt keine Tabus.“
Noch hat zwar kein Nato-Staat der Ukraine zugesichert, Kampfjets zu liefern. Doch die USA halten das prinzipiell für möglich, Frankreich ebenso. Die Debatte ist eröffnet. Am deutlichsten bislang wurden die Niederlande. Deren Außenminister Wopke Hoekstra sagte unlängst im Parlament in Den Haag zur Frage, ob Jets vom Typ F-16 aus US-Produktion geliefert werden könnten: „Wir sind aufgeschlossen. Es gibt keine Tabus.“
Ende vergangenen Jahres hatte auch der slowakische Außenminister Rastislav Kacer angeboten, der Ukraine MiG-29-Jets zu schicken, sobald sich die Nato-Partner einig seien. Vorteil der Kampfflugzeuge aus Sowjetzeiten: Ukrainische Piloten und Pilotinnen müssten nicht lange geschult werden.
Bundeskanzler Scholz lehnt Kampfflugzeuge für die Ukraine deutlich ab
„Was wir jetzt brauchen, ist eine seriöse Debatte, in der das entschieden wird, was zu entscheiden ist“, sagte der Bundeskanzler am Montag.
© Quelle: Reuters
Im Gegensatz zur Panzerdebatte, in der Scholz‘ Koalitionspartner Grüne und FDP lautstark nach einer Freigabe der Leopard-Panzer verlangten, ist es bislang in den Ampelfraktionen in der Kampfjetfrage vergleichsweise ruhig geblieben. Der Außenpolitiker der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer, sprach sich gegen eine Lieferung von Kampfjets an die Ukraine aus. „Lasst uns jetzt das richtig machen, wozu wir uns gerade eben durchgerungen haben“, sagte der Europaabgeordnete dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es sei schließlich noch kein einziger Leopard-2-Panzer geliefert worden.
Die Opposition ist leise – noch?
Auch die Opposition verhält sich still – noch. Die Lieferung von Kampfflugzeugen hänge von der Entwicklung in der Ukraine ab, sagte der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler dem RND. „Die Ukraine braucht dringend weitere Flugabwehrsysteme und auch weiterreichende Raketen, um sich gegen die russischen Angriffe wehren zu können“, sagte der außenpolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei dem RND.
Die Lieferung von Kampfflugzeugen hänge von der Entwicklung des Krieges ab. „Möglicherweise reicht die Kombination aus Kampfpanzern, Flugabwehr und Raketen aus, damit die Ukraine die von Russland besetzten Gebiete zurückerobern kann“, so Gahler.
Scholz‘ Festlegung, dass es bei der Hilfe für die Ukraine nicht um Kampfjets gehe, nannte der CDU-Mann falsch: „Ich halte es für einen Fehler, dem Gegner zu sagen, was man nicht machen wird.“